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Clarissa

Clarissa

Titel: Clarissa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jude Deveraux
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kämpfen, Mann gegen Mann; oder müßtest du dich erst durch einen Wall von Männern zu ihm Vorarbeiten? «
    Raine sah von ihr weg; doch sie merkte, daß ihre Worte auf ihn Eindruck machten. Bisher wünschte sie, daß sie mehr über die Edelleute wüßte. Ehre, denke an Ehre, und was du auch tust, sprich nie von Geld, warnte sie sich.
    »Chatworth ist nicht ehrenhaft«, fuhr sie fort. »Du kannst ihn nicht auf ritterliche Weise behandeln. Du mußt mit deinen Brüdern Zusammenarbeiten. « Im stillen betete sie, daß sie nicht so hitzköpfig wären wie Raine. »Bitte, warte, bis du etwas ruhiger bist. Wir werden deinen Brüdern schreiben und gemeinsam einen Plan ausdenken. «
    »Ich bin mir nicht sicher… «
    »Raine«, sagte sie gelassen, »Mary ist schon ein paar Tage tot. Vielleicht ist Chatworth schon vor ein Gericht gestellt worden, vielleicht ist er nach Frankreich entronnen. Vielleicht… «
    »Du versuchst mich zu beschwichtigen. Warum? «
    Sie holte tief Luft. »Ich habe dich liebgewonnen«, flüsterte sie. »Ich würde eher sterben, als untätig zusehen, wie du getötet wirst. Und das geschähe mit dir, wenn du Chatworth allein angreifen wolltest. «
    »Ich fürchte den Tod nicht. «
    Sie sah ihn erzürnt an. »Dann geh! « schrie sie. »Geh und opfere Chatworth dein Leben. Ihm wird das zweifellos gefallen.
    So kann er deine Familie nacheinander vernichten. Und du machst ihm die Sache noch einfach. Komm, ich werde dir helfen, dich zu bewaffnen. Du wirst deine schönste Rüstung tragen. Ich binde dir alle Waffen um, die du besitzt, und wenn du unbesiegbar bist, kannst du zu Chatworth reiten und dich seiner Armee stellen. Ja, mach zu«, sagte sie und faßte nach der Brustplatte seines Harnischs. »Mary wird sich freuen, wenn sie vom Himmel aus zusehen darf, wie ihr Bruder in Stücke gehackt wird. Das wird ihrer Seele großen Frieden geben. «
    Raines Blick war so kalt, daß sie glaubte, ihre Haut würde zu Frost erstarren.
    »Laß mich in Ruhe«, sagte er schließlich, und sie gehorchte.
    Clarissa hatte noch nie solche Angst empfunden wie in diesem Augenblick. Selbst in der eisigen Luft vor dem Zelt floß ihr Schweiß reichlich.
    »Alexander«, drang eine flüsternde Stimme zu ihr, die Jocelin gehörte.
    Binnen Sekunden lag sie in seinen Armen, während ihre Tränen flossen. »Raines Schwester«, schluchzte sie. »Mary ist tot, und Raine möchte der Armee des Mörders allein gegenübertreten. «
    »Sachte«, beruhigte Joss sie. »Er ist nicht wie wir. Wir wurden zu Feiglingen erzogen, vor einer Gefahr davonzurennen, das Leben höher zu schätzen als den Kampf. Es gibt nicht viele Männer wie Raine. Er würde lieber sterben, als ehrlos zu sein. «
    »Ich möchte aber nicht, daß er stirbt. Er kann nicht sterben! Ich habe alles verloren — meine Mutter, meinen Vater. Ich weiß, ich habe kein Recht, doch ich liebe ihn. «
    »Du hast das Recht, ihn davon abzuhalten. Nun sei still und denk nach, was du tun kannst, um seinen Selbstmord zu verhindern. Gewiß sind seine Brüder sich bewußt, wie hitzköpfig er ist. Kannst du Raine überreden, seinem Bruder zu schreiben und eine Fußnote anzufügen? «
    »Oh, Joss«, sagte sie, seine Arme fassend. Als er zusammenzuckte, nahm sie rasch die Hände wieder fort. »Deine Schulter, auf die ich den kochenden Apfelwein goß! Es tut mir leid, ich… «
    »Still«, sagte er und legte seine Fingerspitzen auf ihre Lippen. »Rosamund kümmert sich schon darum. Es ist eine kleine Wunde. Nun geh zu Raine, und rede mit ihm; aber verlier nicht die Beherrschung. «
    Schweigend trat Clarissa ins Zelt zurück. Raine saß auf dem Rand seiner Koje, den Kopf in die Hände gelegt. »Raine«, flüsterte sie, seine Haare berührend.
    Heftig griff er nach ihrer Hand und küßte sie auf den Handballen. »Ich bin nutzlos«, sagte er. »Ein Mann tötet meine Schwester, und ich kann nichts unternehmen. Nichts! «
    Sie setzte sich zu ihm, legte die Arme um ihn, stützte den Kopf in seinen Ellenbogen. »Komm zu Bett. Es ist schon spät. Morgen werden wir Gavin schreiben. Vielleicht kann er etwas unternehmen. «
    Fügsam ließ sich Raine zu Bett bringen; doch als Clarissa zu ihrem Strohsack gehen wollte, hielt er sie am Arm fest. »Bleib bei mir. «
    Es wäre ihr unmöglich gewesen, so ein Angebot zurückzuweisen. Die ganze Nacht merkte sie, daß er wach neben ihr lag, während sie in einen nervösen Schlummer fiel.
    Am Morgen hatte er Schatten unter den Augen, und seine Laune war rabenschwarz.

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