Clarissa
willkommen. Doch als sie einen Monat durchs Land gezogen waren, wurde Clarissa krank. Sie mußte sich so oft übergeben, daß die Leute sich weigerten, mit ihr zu reisen, daß sie fürchteten, der Junge sei von einem bösen Leiden befallen. Und Clarissa wurde so schwach, daß sie kaum noch gehen konnte.
So blieben sie eine Woche in einem kleinen Dorf, während Jocelin am Stadttor saß und für Pfennige sang. Als Clarissa ihm Brot und Käse brachte, dachte er, sie beobachtend, wie sehr sie sich doch verändert hatte seit der Zeit, als sie noch im Wald lebten. Vielleicht erschien sie ihm nur lieblicher, weicher und hübscher zu sein, weil er inzwischen eine innige Zuneigung zu ihr gefaßt hatte. Ihr jungenhaft wippender Gang hatte sich in ein sanftes, wiegendes, betont weibliches Schreiten verwandelt. Und trotz ihrer Krankheit hatte sie stetig zugenommen.
Da wußte Joss plötzlich, was mit Clarissa »nicht stimmte«: sie trug Raines Kind unter dem Herzen. Als er den Korb neben ihr abstellte, lachte er, und wenn sie allein gewesen wären, hätte er sie gepackt und im Kreise herumgeschwenkt.
»Ich werde eine Last für dich sein«, sagte Clarissa, aber ihre Augen glänzten. Ehe Joss antworten konnte, begann sie aufgeregt: »Glaubst du, er wird Raine ähnlich sehen? Wäre es anmaßend, Gott zu bitten, daß es ein Kind mit Grübchen wird? «
»Laß uns die Gebete zurückstellen und zunächst um die Mittel bitten, daß du dich wie eine Frau kleiden kannst. Wenn ich mit einem schwangeren Jungen reise, werde ich vermutlich nicht lange am Leben bleiben. «
»Ein Kleid«, lächelte Clarissa. Etwas Weiches und Hübsches, das ihr das Gefühl gab, wieder eine Frau zu sein.
Sobald Jocelin von der Angst befreit war, daß Clarissa an einer wirklichen Seuche dahinsiechen könne, wurde er zuversichtlicher und erlaubte ihr, von Herrenhaus zu Herrenhaus zu reisen. Und Clarissa war viel besserer Stimmung, nachdem sie entdeckt hatte, daß sie Raine doch nicht ganz verlor. Sie redeten ständig von dem Baby, wie es aussehen würde, ob es als Mädchen auch Raines Gesichtszüge haben könne, wenngleich sie hoffte, falls es ein Mädchen war, daß es nicht ganz so groß würde wie sein Vater.
Joss hörte sich das alles immer wieder an. So sehr freute er sich, daß sie nicht länger im mürrischen Schweigen verharrte, wie sie das monatelang nach dem Verlassen des Waldes getan hatte. Nachts, wenn sie auf den Strohsäcken auf dem Boden des Hauses, in dem sie gerade auftraten, lagen, hörte er sie oft weinen; doch am Tage erwähnte sie nie ihre Trauer.
Einmal spielten und sangen sie in einem großen Herrenhaus, das einem von Raines Vettern gehörte. Clarissa war wie-der sehr schweigsam geworden, doch er konnte förmlich spüren, wie sie die Ohren spitzte, ob sie nicht eine Neuigkeit vernahm.
Jocelin hatte ein paar Andeutungen bei der Frau des Vetters gemacht, und die Lady hatte ihm ausführlich berichtet. Raine lebte immer noch im Wald, und König Heinrich hatte aus Gram über den Tod seines ältesten Sohnes die geächteten Edelleute fast vergessen. Ihn bekümmerte viel mehr, was er mit seiner Schwiegertochter, der Prinzessin Katharina von Aragon, anstellen sollte als die Regelung einer privaten Fehde. Er ignorierte die Eingaben der Montgomerys, Roger Chatworth für sein Verbrechen zu bestrafen. Schließlich hatte Chatworth Mary Montgomery ja nicht getötet, sondern nur genotzüchtigt. Er hatte ihr eigentlich kein Haar gekrümmt. Das Mädchen hatte seinen Freitod selbst zu verantworten.
Da gab es die Neuigkeit, daß Judith Montgomery im Juli einen Sohn zur Welt gebracht hatte und später im August Alicia MacArran ebenfalls mit einem Sohn niedergekommen war. Die Montgomery-Vettern waren immer noch außer sich über Stephen, weil er einen schottischen Namen angenommen hatte und auch deren Lebensweise.
Clarissa hörte begierig zu, als Jocelin ihr das Gehörte hinterbrachte.
»Es ist gut, daß ich nicht länger bei ihm bin«, sagte sie leise, während sie ihre Laute stimmte. »In seiner Familie wimmelt es von hochgeborenen Damen, während ich die Tochter eines Advokaten bin. Wäre ich bei ihm geblieben, hätte er mich wohl unmöglich zu seiner Gattin nehmen können. Sie hätten mich nicht in ihrer Nähe geduldet, obwohl einige von diesen Edeldamen, die ich bisher genossen habe, kaltblütige Dirnen sind. Vielleicht hätte er ein bißchen Wärme gebrauchen können. «
Jocelin versuchte ihr darzulegen, daß das, was sie von den Ladys trennte,
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