Clark Mary Higgins
Tatwaffe weggeworfen.«
Als sie eine Stunde später weggingen und Seamus einverstanden war, sich einem Test mit dem Lügendetektor zu unterziehen,
traute Peter Kennedy seiner Intuition nicht mehr so recht. Ganz
zum Schluß ihrer Aussprache war Seamus noch damit herausgerückt, daß er einen versoffenen Kerl dafür bezahlt hatte, Ethel zu
drohen. Entweder ist er bloß dumm und hat Angst, oder er treibt
ein besonders abgefeimtes Spiel, sagte sich Peter und nahm sich
vor, Myles Kearney zu verstehen zu geben, daß nicht alle Klienten, die Myles ihm schickte, unbedingt sein Fall waren.
Die Nachricht von Gordon Steubers Festnahme ging wie ein
Lauffeuer durch das Modeviertel. Die Telefonlinien waren ständig besetzt. »Nein, es ist nicht wegen der Beschäftigung von
Schwarzarbeitern. Das tut ja jeder. Es geht um Rauschgift.« Und
dann die große Frage: »Wieso? Er verdient doch Millionen!
Man hat ihm eins auf die Finger gegeben wegen der illegalen
Ateliers. Man hat auch schon eine Untersuchung wegen Steuerhinterziehung eingeleitet. Doch da können ein paar gute Anwälte einen Prozeß jahrelang verzögern. Aber Drogen!« Nach einer
Stunde mischte sich schon schwarzer Humor ein: »Hütet euch
vor Neeve Kearneys Zorn! Im Handumdrehen habt ihr eure
Armbanduhr gegen Handschellen eingetauscht.«
Umringt von einem Schwarm geschäftiger Mitarbeiter, war Anthony della Salva dabei, die letzten Details für seine Herbstmodenschau auszuarbeiten, die in der kommenden Woche stattfinden sollte. Es war eine besonders gut gelungene Kollektion. Der
neue Junge, den er frisch von der Modehochschule weg engagiert hatte, war ein Genie. »Sie sind ein zweiter Anthony della
Salva«, hatte er mit strahlender Miene zu Roger gesagt. Es war
Sals höchstes Lob.
»Oder ein künftiger Mainbocher«, murmelte der schmalgesichtige, schmächtige Roger vor sich hin. Aber er erwiderte Sals
seliges Lächeln. In zwei Jahren hätte er garantiert genügend
Rückhalt, um ein eigenes Unternehmen zu eröffnen. Er hatte mit
Zähnen und Klauen darum gekämpft, gewisse Motive des Südsee-Designs in Verkleinerung bei den Accessoires der neuen
Kollektion verwenden zu dürfen, Seidenschals, Unterarmtaschen
und Gürtel in den leuchtenden tropischen Farben und raffinierten Mustern, die den ganzen geheimnisvollen Zauber der Unterwasserwelt einfingen.
»Kommt nicht in Frage«, hatte Sal kurz und bündig erklärt.
»Es ist noch immer das Beste, was Sie je kreiert haben. Es ist
Ihr Markenzeichen.«
Als die Kollektion fertig war, mußte Sal zugeben, daß Roger
recht gehabt hatte.
Es war halb vier, als Sal hörte, was mit Gordon Steuber geschehen war und welche Witze darüber kursierten. Sofort rief er
Myles an. »Wußtest du, daß sich so etwas anbahnte?«
»Nein«, sagte Myles etwas unwirsch. »Man hält mich nicht
auf dem laufenden über alles, was im Polizeihauptquartier vorgeht.« Sals besorgter Ton verstärkte die schlimmen Vorahnungen, die ihn schon den ganzen Tag verfolgten.
»Dann sollte man es vielleicht tun«, gab Sal zurück. »Hör zu,
Myles, wir haben alle gewußt, daß Steuber Verbindungen zur
Unterwelt hat. Wenn Neeve ihn wegen der Beschäftigung von
Schwarzarbeitern anprangert, ist das eine Sache. Wenn sie aber
indirekt bewirkt, daß ein Drogengeschäft in der Höhe von hundert Millionen Dollar auffliegt, dann wird die Geschichte verdammt gefährlich.«
»Hundert Millionen? Die Zahl war mir nicht bekannt.«
»Dann schalt mal dein Radio ein. Meine Sekretärin hat es gerade gehört. Vielleicht solltest du dir überlegen, ob du für Neeve
einen Leibwächter engagieren willst. Paß gut auf sie auf. Sie ist
natürlich deine Tochter, aber ich habe, glaube ich, auch ein berechtigtes Interesse.«
»Das hast du. Ich werde mit den Leuten vom Hauptquartier
reden und mir die Sache überlegen. Ich habe gerade versucht,
Neeve anzurufen. Sie ist aber schon in die Seventh Avenue gegangen. Es ist ja ihr Einkaufstag. Kommt sie noch bei dir vorbei?«
»Gewöhnlich endet ihre Runde bei mir. Sie weiß auch, daß
ich ihr gerne die neue Herbstlinie zeigen möchte.«
»Sag ihr, sobald du sie siehst, daß sie mich anrufen soll. Sag,
daß ich auf ihren Anruf warte.«
»Wird gemacht.«
Myles wollte sich schon verabschieden, doch dann fiel ihm
noch etwas ein. »Wie geht’s deiner Hand, Sal?«
»Besser. Es ist mir eine Lehre, nicht so ungeschickt zu sein.
Was mich viel mehr grämt, ist, daß ich das Buch beschädigt
habe.«
»Mach dir keine Vorwürfe.
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