Clark Mary Higgins
Es trocknet schon wieder. Neeve
hat einen neuen Verehrer, einen Verleger. Er gibt es einem Restaurator.«
»Kommt nicht in Frage. Das muß ich selber in Ordnung bringen. Ich schicke jemanden, der es abholt.«
Myles lachte. »Sal, du bist zwar ein guter Modeschöpfer, aber
ich glaube, für diese Aufgabe ist Jack Campbell der richtige
Mann.«
»Myles, ich bestehe darauf!«
»Bis später, Sal.«
Um zwei Uhr kamen Seamus und Ruth Lambston erneut in Peter Kennedys Anwaltsbüro, um sich den Tests mit dem Lügendetektor zu unterziehen. Peter hatte ihnen gesagt: »Wenn wir
uns einverstanden erklären, daß ein polizeilicher Test mit dem
Lügendetektor vorgenommen wird, falls es zum Prozeß kommt,
kann ich sie vermutlich überreden, keine Anklage wegen Körperverletzung oder Unterschlagung eines Beweismittels zu erheben.«
Ruth und Seamus hatten die vergangenen zwei Stunden in einem kleinen Café im Stadtzentrum verbracht, um eine Kleinigkeit zu Mittag zu essen. Keiner würgte mehr als ein paar Bissen
von den Sandwiches hinunter, welche die Kellnerin vor sie hinstellte. Sie bestellten lieber noch Tee nach. Seamus brach das
Schweigen. »Was hältst du von dem Anwalt?«
Ruth sah ihn nicht an. »Ich habe das Gefühl, daß er uns nicht
glaubt.« Sie wandte den Kopf und blickte ihrem Mann in die
Augen. »Aber wenn du die Wahrheit sagst, dann haben wir richtig gehandelt.«
Der Test erinnerte Ruth an ihr letztes Elektrokardiogramm, mit
dem Unterschied, daß diese Drähte andere Impulse maßen. Der
Mann, der den Apparat bediente, war distanziert freundlich. Er
fragte Ruth nach ihrem Alter und wo sie arbeite und erkundigte
sich nach ihrer Familie. Als sie von ihren Töchtern sprach, entspannte sie sich, und ihre Stimme bekam einen Anflug von
Stolz.
Dann folgten die Fragen, die ihren Besuch in Ethels Wohnung
betrafen und die Gründe, wieso sie den Scheck zerrissen, den
Brieföffner entwendet, ihn mit nach Hause genommen, gewaschen und später in den Korb in dem indischen Laden gelegt
hatte.
Als sie fertig war, bat Peter Kennedy sie, im Empfangszimmer zu warten und Seamus zu ihm zu schicken. Die nächsten
fünfundvierzig Minuten saß sie da, halb betäubt vor Besorgnis.
Wir haben die Kontrolle über unser Leben verloren. Andere
entscheiden, ob wir vor Gericht kommen, ins Gefängnis kommen.
Der Raum war beeindruckend mit dem großen und dem kleinen Sofa aus demselben teuren Leder, dem runden Mahagonitisch, auf dem die neuesten Zeitschriften lagen, und den ausgezeichneten modernen Lithographien an den getäfelten Wänden.
Ruth war sich bewußt, daß die Empfangssekretärin ihr verstohlene Blicke zuwarf. Wen sah diese elegant gekleidete junge Frau
vor sich? Eine unscheinbare Frau in einem unscheinbaren grünen Wollkleid und gewöhnlichen Halbschuhen, das Haar zu
einem Knoten aufgesteckt, aus dem Strähnen heraushingen.
Wahrscheinlich denkt sie, daß wir uns das Honorar hier gar
nicht leisten können, und sie hat recht damit.
Die Tür des Flurs, der zu Peter Kennedys Privatbüro führte,
ging auf. Kennedy stand dort mit einem warmen, entgegenkommenden Lächeln. »Kommen Sie, Mrs. Lambston, es ist alles
in Ordnung.«
Nachdem der Experte mit dem Lügendetektor weggegangen
war, hatte Kennedy die Karten auf den Tisch gelegt. »Normalerweise würde ich lieber nicht so schnell vorgehen. Aber Sie
sind besorgt, denn je länger Seamus von den Medien als möglicher Täter bezeichnet wird, um so schlimmer wird dies für Ihre
Töchter. Ich schlage deshalb vor, daß ich mich mit der Mordkommission in Verbindung setze, die den Fall untersucht. Ich
verlange, daß man sofort einen Test mit dem Lügendetektor
macht, um die für Sie unerträgliche Situation voller Andeutungen zu bereinigen. Ich mache Sie aber auf eins aufmerksam: Um
einen sofortigen Test zu erwirken, müssen wir uns ausdrücklich
einverstanden erklären, daß die Resultate dieses Tests als Beweismittel zugelassen werden, falls es zum Prozeß kommt. Darauf werden sie eingehen, glaube ich, und ich glaube auch, daß
ich sie dazu bringen kann, eventuelle andere Anklagepunkte
fallenzulassen.«
Seamus schluckte leer. Sein schweißnasses Gesicht glänzte.
»Tun Sie es, bitte.«
Kennedy stand auf. »Es ist jetzt drei Uhr. Möglicherweise
können wir heute noch hingehen. Warten Sie bitte draußen, bis
ich gesehen habe, was ich erreichen kann.«
Eine halbe Stunde später kam er heraus. »Sie sind einverstanden. Gehen wir.«
Der Montag galt bei den Geschäften als
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