Clark Mary Higgins
dir leid tun? Neeve,
ich habe diese verflixte Kanne noch nie gesehen. Wann hast du
die gekauft?«
Neeve setzte neues Kaffeewasser in dem alten Kocher auf.
»Sie war ein Geschenk«, sagte sie zögernd. »Ethel Lambston hat
sie dir zu Weihnachten geschickt, nachdem sie bei unserer Party
war.«
Devin Stanton blickte verwirrt drein, als Myles, Neeve und
Sal in ironisches Gelächter ausbrachen.
»Ich werde Euer Eminenz alles erklären, wenn wir uns wieder
gesetzt haben«, sagte Neeve. »Du meine Güte, ich kann tun, was
ich will – ich werde Ethel nicht mal für die Zeit eines Abendessens los.«
Bei Espresso und Sambuca-Likör erzählte sie von Ethels
scheinbarem Verschwinden.
»Hauptsache, sie bleibt für uns unsichtbar«, war Myles’
Kommentar.
Sal versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie stark ihn die
Hand, auf der sich jetzt Brandblasen bildeten, schmerzte. Er
schenkte sich einen zweiten Sambuca ein. »Es gibt keinen Designer auf der Seventh Avenue«, sagte er, »den sie nicht für ihren Artikel angezapft hat. Um deine Frage zu beantworten, Neeve, sie rief letzte Woche bei mir an und bestand darauf, mit mir
verbunden zu werden. Wir waren mitten in einer Sitzung. Sie
hatte ein paar Fragen wie: ›Stimmt es, daß Sie in der Schule den
Rekord fürs Schuleschwänzen hielten? ‹«
Neeve starrte ihn an. »Du machst wohl einen Witz?«
»Ganz und gar nicht. Ich vermute, daß Ethel es in ihrem Artikel darauf anlegt, alle die Geschichten zu entlarven, die sich
unsere Public-Relations-Leute für viel Geld über uns ausgedacht
haben. Das mag ein heißes Thema für einen Artikel sein, aber
sagt mir doch nicht, daß es eine halbe Million für ein Buch wert
ist! Das will mir nicht in den Kopf.«
Neeve war schon drauf und dran, ihnen zu erzählen, daß dieser Betrag Ethel in Wirklichkeit gar nicht angeboten worden
war, doch sie biß sich auf die Zunge. Jack Campbell wollte bestimmt nicht, daß es sich herumsprach.
»Übrigens«, fuhr Sal fort, »man sagt, daß durch deinen Hinweis auf die Schwarzarbeit in Steubers Ateliers ziemlich viel
Dreck zum Vorschein kommt. Neeve, halte dich fern von dem
Kerl!«
»Was soll das heißen?« fragte Myles in scharfem Ton.
Neeve hatte Myles noch nichts davon gesagt, daß Gordon
Steuber möglicherweise ihretwegen vor Gericht gestellt würde.
Sie gab Sal ein Zeichen mit dem Kopf und erklärte: »Steuber ist
ein Designer, dessen Sachen ich nicht mehr kaufe wegen der
Art, wie er sein Geschäft führt.« Dann wandte sie sich an Sal:
»Ich behaupte immer noch, daß etwas an Ethels Verschwinden
von der Bildfläche nicht stimmt. Du weißt, daß sie alle Kleider
bei mir kauft, und alle ihre Wintermäntel hängen im Schrank.«
Sal zuckte die Achseln. »Neeve, ehrlich gesagt, Ethel ist so
zerstreut, daß sie wahrscheinlich ohne Mantel hinausgerannt ist
und es gar nicht merkte. Warte ab, was geschieht. Wahrscheinlich taucht sie mit etwas auf, das sie ganz billig von der Stange
gekauft hat.«
Myles lachte. Neeve schüttelte den Kopf. »Du bist wirklich
eine große Hilfe.«
Ehe sie vom Tisch aufstanden, sprach Devin Stanton noch ein
Gebet. »Wir danken Dir, Herr, für unsere Freundschaft, für die
köstliche Mahlzeit, für die schöne junge Frau, die sie zubereitet
hat, und wir bitten Dich, segne das Andenken an Renata, die wir
alle geliebt haben.«
»Ich danke dir, Dev.« Myles berührte die Hand des Bischofs.
Dann lachte er. »Wenn sie jetzt hier wäre, Sal, würde sie dir
befehlen, die Küche aufzuräumen, weil du das Durcheinander
verursacht hast.«
Nachdem der Bischof und Sal gegangen waren, räumten Neeve und Myles die Geschirrspülmaschine ein und wuschen in
einträchtigem Schweigen Töpfe und Schüsseln ab. Neeve nahm
die Unglückskanne in die Hand. »Die werfe ich lieber weg, ehe
sich noch jemand damit verbrüht«, bemerkte sie.
»Nein, laß sie da«, sagte Myles. »Sie sieht ziemlich teuer aus.
Irgendwann kann ich sie reparieren, während ich ›Gefahr‹ im
Fernsehen anschaue.«
Gefahr. Das Wort schien in der Luft zu hängen. Unwillig
schüttelte Neeve bei diesem Gedanken den Kopf; dann knipste
sie das Licht in der Küche aus und gab Myles einen Gutenachtkuß. Sie blickte sich noch einmal um, um sich zu vergewissern,
daß alles in Ordnung war. Das Licht aus dem Korridor fiel
schwach in den kleinen Salon, und Neeve zuckte zusammen, als
der Schein die aufgequollenen, verwischten Seiten von Renatas
Kochbuch beleuchtete, das Myles auf seinen Schreibtisch
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