Claudius Bombarnac
der einmal eroberten Stelle. Und da soll nun Einer unter diesen von der Seekrankheit bedrohten Schlafmützen einen romantisch angehauchten Menschen heraussuchen! Ich selbst habe die Absicht, die Nacht auf dem Verdeck zuzubringen, und ich steige wieder unter der Treppenkappe hinauf an die Luft. Hier befindet sich der Amerikaner, der noch im Begriff ist, seinen demolirten Kasten wieder in Ordnung zu bringen.
»Glauben Sie wohl, ruft er mich an, glauben Sie, daß mir jener Trunkenbold von Musik auch noch ein Trinkgeld abverlangt hat!
– Ich hoffe, Sie haben bei dem Unfall keinen eigentlichen Verlust erlitten, Herr Ephrjuell, erwidere ich.
– Nein …. Zum Glück nicht.
– Darf ich fragen, wie viel Zähne Sie in jenen Kisten nach China einführen?
– Hundertachtzigtausend, ohne die Weisheitszähne zu rechnen.«
Fulk Ephrjuell lacht dabei selbst über den Witz, den er auf der Reise gewiß schon unzählige Male abgenutzt hat. Ich verlasse ihn und ersteige die Brücke zwischen den beiden Radkasten.
Der Himmel ist sehr schön; ein jetzt leichter Nordwind scheint auffrischen zu wollen, draußen rollen schon grünliche Kämme über die Wasserfläche hin. Möglicherweise wird die Nacht doch rauher, als man vorausgesetzt hätte. Auf dem Vordertheile des Dampfers liegen eine Menge Passagiere, Turkmenen in Lumpen, Kirgisen mit scharf zugeschnittenen Augen, Mujiks, die wie Auswanderer erscheinen, kurz, lauter arme Teufel, die sich an den Mastfuß lehnen, oder längs der Schiffswände oder der Pfortsegel liegen. Fast alle rauchen Tabak oder kauen an dem für die Ueberfahrt mitgebrachten Mundvorrath. Andere suchen schon durch den Schlaf ihren Kräften aufzuhelfen – vielleicht auch den Hunger zu übergehen.
Mir fällt da ein, ein wenig zwischen diesen Gruppen umherzugehen, wie ein Jäger, der erst das Gebüsch absucht, ehe er sich auf den Anstand begiebt. Da komme ich auch an den Riesenhausen verschiedener Collis, die ich mit dem richtigen Blicke eines Zollschnüfflers betrachte.
Eine große Kiste aus weißem Holz, auf der ein Zipfel des Pfortsegels umherflattert, erregt meine Aufmerksamkeit. Sie mißt in der Höhe einen Meter achtzig, bei einem Meter in der Tiefe und Breite. Man hat sie hierher mit Sorgfalt gestellt, die die auf den Deckel geschriebenen Worte:
Die »Astara« gleitet durch die züngelnden Flammen. (S. 36.)
Glas – Spiegel – zerbrechlich – vor Feuchtigkeit zu bewahren – verlangen. Ferner klebt daran die Adresse: Fräulein Zinca Klork, Cha-Chuastraße, Peking , Provinz Petchili, China.
Die junge Engländerin ist es, die mir diese Lection ertheilt hat. (S. 37.)
Diese Zinca Klork – ihr Name verräth es ja – muß eine Rumänin sein, die die Eisenbahn benutzt, um Spiegelglas zu befördern. Sollte es in den Magazinen des Himmlischen Reiches an diesem Artikel fehlen? Was machen denn dann die schönen Chinesinnen, um ihre mandelförmigen Augen und den Aufbau ihres Haares zu bewundern?
Da läutete eine Glocke; sie rief zur Sechsuhr-Mahlzeit. Der »Diningroom« liegt im Vorderschiffe. Ich begebe mich dahin und finde die Tafel schon von etwa vierzig Gästen besetzt.
Fulk Ephrjuell hat ungefähr in der Mitte der Tafel Platz genommen. Da neben ihm noch ein Sessel leer ist, winkt er mir zu, und ich beeile mich, die Lücke am Tische auszufüllen. Ob es reiner Zufall war, weiß ich nicht, doch jedenfalls sitzt die englische Reisende zur Linken Fulk Ephrjuell’s, der sich mit ihr unterhält, und sich verpflichtet fühlt, mir die Dame vorzustellen.
»Miß Horatia Bluett« sagte er.
Gegenüber bemerke ich das französische Pärchen, das die Speisekarte mit aller Gewissenhaftigkeit mustert.
Am andern Ende des Tisches und an der Seite des Buffets, von dem die Schüsseln kommen – was ihm Gelegenheit giebt, zuerst zuzulangen – macht sich der deutsche Reisende breit. Es ist ein Mann von kräftigem Körperbau, mit röthlichem Gesicht, blondem Kopf und röthlich scheinendem Barthaar, nicht etwa kleinen Händen und sehr entwickelter Nase, die schon mehr an den Rüssel der Plantigraden erinnert. Er bietet den ganz eigenthümlichen Anblick der Officiere des Landsturms, mit vorzeitiger Fettleibigkeit.
»Diesesmal hat er sich nicht verspätet, sage ich zu Fulk Ephrjuell.
– Im deutschen Reiche ist man stets pünktlich an der Tafel, antwortet mir der Amerikaner.
– Wissen Sie, wie jener Deutsche heißt?
– Baron Weißschnitzerdörfer.
– Und mit einem solchen Namen geht er bis
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