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Claudius Bombarnac

Claudius Bombarnac

Titel: Claudius Bombarnac Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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nach Peking! … Das kann offenbar nur an mir liegen. Ich bin fest entschlossen, ein solches Unglück zu vermeiden.
    Es ist zehneinhalb Uhr und ich setze mich auf eine Bank des Hinterdecks der »Astara«. Bei dem Winde, der mir ins Gesicht pfeift, ist an Schlafen freilich nicht zu denken.
    Ich erhebe mich also wieder und gehe nach dem Vordertheil, immer am Dahlbord entlang. Unter der Laufbrücke zwischen den Radkasten werde ich vom Winde so heftig geschüttelt, daß ich hinter den mit getheertem Segeltuch bedeckten Collis Schutz suchen muß. Neben den Kisten und Kasten ausgestreckt, dicht in meine Decken gehüllt, schlafe ich denn auch bald ein.
    Nach einiger Zeit, wann es war, vermag ich nicht genau anzugeben, werd’ ich durch ein eigenthümliches Geräusch geweckt. Woher kommt dieses Geräusch? … Ich horche auf. Es klingt wie Schnarchen dicht an meinem Ohr.
    »Das wird ein Passagier vom Vorderdeck sein, denke ich mir. Er wird sich unter dem Segeltuch zwischen den Kisten häuslich eingerichtet haben und dürfte sich in dieser improvisirten Cabine gar nicht am schlechtesten befinden.«
    Bei dem schwachen Scheine, der aus dem unteren Theile des Compaßhäuschens hervordringt, kann ich nichts bemerken.
    Ich lausche von neuem …. Das Geräusch ist verstummt.
    Ich sehe mich um … Niemand auf diesem Theile des Decks, denn die Passagiere zweiter Classe liegen alle auf dem Vorderdeck ausgestreckt.
    So muß ich also geträumt haben, und schon lege ich mich wieder zurecht, um weiter zu schlafen ….
    Jetzt war kein Irrthum möglich. Das Schnarchen hat auf’s neue begonnen und ich überzeuge mich, daß es aus dem Kasten kommt, gegen den ich den Kopf stütze.
    »Donnerwetter, rufe ich für mich selbst, da steckt ein Thier in dem Kasten!«
    Ein Thier? … Ja, was denn für eins? … Ein Hund? … Nein! Warum sollte man denn den Hausfreund des Menschen in einen Kasten gesteckt haben? … Also ein Raubthier … ein Panther, ein Tiger, ein Löwe …
    Jetzt hab’ ich eine Fährte aufgespürt …. Raubthiere, die nach einer Menagerie oder zu einem Sultan Centralasiens gebracht werden. Dieser Kasten ist ein Käfig, und wenn der Käfig sich öffnete, wenn die Bestie sich auf das Deck stürzte … das wäre doch ein Reiseerlebniß … ein fetter Bissen für einen Reiseberichterstatter! … Hier erkennt der Leser, wohin bei Ueberreizung des Gehirns ein Reporter, der auf der Suche ist, verfallen kann; ich muß um jeden Preis wissen, für wen dieses Raubthier bestimmt ist, ob nach Uzun-Ada oder ob es nach China geht. – Der Kasten muß doch eine Adresse haben.
    Ich nehme ein Wachsstreichhölzchen, entzünde dasselbe, und da ich mich unter dem Wind halte, steigt dessen kleine Flamme gerade in die Höhe …
    Was sehe ich nun bei ihrem Scheine? …
    Der Kasten mit dem Raubthier ist gerade der, der die Adresse trägt: Fräulein Zinca Klork, Cha-Chuastraße, Peking, China ….
    Mein Raubthier und zerbrechlich! … Mein Löwe vor Feuchtigkeit zu bewahren! … Na, sei es denn! Aus welchem Grunde aber läßt Fräulein Zinca Klork, diese hübsche – denn hübsch maß sie sein, diese Rumänin – und eine Rumänin ist sie außer Zweifel – ein Raubthier unter so merkwürdiger Bezeichnung des Kistenkäfigs befördern?
    Denken wir lieber nach, statt unvernünftige Reden zu führen. Dieses Thier, mag’s nun sein, was für eins es will, muß doch fressen und saufen. Von Uzun-Ada aus dauert die Fahrt bis zur Hauptstadt des Himmlischen Reiches volle elf Tage. Wer wird ihm Futter, wer Wasser bringen können, wenn es seinen Käfig nicht verlassen kann, wenn es während der ganzen Reise eingeschlossen bleiben soll? Die Beamten der Groß-Transasiatischen Eisenbahn werden genanntem Raubthiere nur die für den Transport von Spiegelglas erforderliche Aufmerksamkeit schenken, denn als solches ist es declarirt, und dabei muß es ja verhungern.
    Alles wirbelt mir im Kopfe und meine Gedanken werden unklar.
     

    Auf dem Vordertheile des Dampfers liegen eine Menge Passagiere. (S. 39.)
     
    »Ist’s nur ein reizender Traum, der mich täuscht oder ob ich wache?« wie Margarethe sich im »Faust«, in einem mehr lyrischen als grammatikalischen Satze ausdrückt. Zu widerstehen ist mir unmöglich. Ich habe eine Last von zwei Kilo auf jedem Augenlide. Ich will mich längs des Segeltuches niedergleiten lassen; die Decke hüllt mich noch dichter ein und ich falle wieder in tiefen Schlummer.
    Wie lange ich jetzt geschlafen haben mag? Vielleicht drei bis vier

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