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Claudius Bombarnac

Claudius Bombarnac

Titel: Claudius Bombarnac Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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gleich mit der Messerspitze … wenn das auch nicht gerade appetitlich aussah, so hielt er sich doch vortrefflich, weder das Schwanken beim Rollen, noch die Stöße bei dem Stampfen des Schiffes waren im Stande, ihn um einen guten Bissen oder um einen Schluck aus dem Glase zu bringen.
    Noch etwas weiter entfernt sitzen die beiden Söhne des Himmels, die ich neugierig betrachte.
    Der eine ist ein junger Mann von vornehmer Erscheinung, gegen fünfundzwanzig Jahre alt und, trotz seines gelben Teints und der geschlitzten Augen, von recht hübschen Gesichtszügen. Einige in Europa verbrachte Jahre haben sein Auftreten ebenso wie sein Costüm unverkennbar europäisirt. Sein Schnurrbart erscheint sorgsam gepflegt, der Blick lebhaft, und das Haar trägt er weit eher wie unsereiner, als wie ein Chinese. Er macht den Eindruck eines liebenswürdigen, heiteren jungen Mannes, der gewiß nicht gar so häufig »den Thurm der Reue« besteigt (um eine in seiner Heimat beliebte Metapher zu gebrauchen).
    Sein Gefährte dagegen, über den er sich ohne Zwang etwas lustig zu machen scheint, ist der richtige Typus jener Porzellanpagoden mit wackelndem Kopfe. Dieser mag fünfzig bis fünfundfünfzig Jahre zählen; er hat ein winziges Gesicht, den Hinterkopf halb rasirt, trägt den landesüblichen Zopf und die nationale Kleidung, Rock, Weste, Gürtel, weite Pluderhosen und Schuhe, Alles von greller Farbe – ein Musterexemplar der »grünen Familie«. Er hält sich nur mit Mühe aufrecht, und nach einer heftigen Schlingerbewegung mit den begleitenden Rasseln und Klirren des Tafelgeschirrs, erhebt er sich und eilt die Treppe nach dem Deck hinaus. Der jüngere Sohn des Himmlischen Reiches aber ruft ihm nach und hält dem Manne ein kleines, auf dem Tische zurückgelassenes Buch entgegen:
    »Carnaro! … Carnaro!«
    Was hat dieses italienische Wort in orientalischem Munde zu schaffen? … Das »XX. Jahrhundert« hat ein Recht, das zu wissen und wird es auch erfahren.
    Frau Caterna betreffend, so erhebt sich diese ganz bleich im Gesicht, und Herr Caterna, ein Musterehemann, folgt ihr nach dem Verdeck.
    Nach dem Essen lasse ich Fulk Ephrjuell und Miß Bluett ruhig von Courtage und Preisverzeichnissen weiter verhandeln und spaziere ein wenig auf dem Hinterdeck der »Astara« umher.
    Jetzt ist es fast Nacht. Vor dem Ostwinde schnell dahinziehende Wolken bedecken in langen Streifen die oberen Zonen des Himmels, an dem vereinzelt noch Sterne hervorschimmern. Die Brise frischt weiter auf. Die Laterne mit dem weißen Licht am Fockmaste des Dampfers klappert bei jeder Bewegung des Schiffes. Die beiden Positionslichter strahlen, jedem Schwanken nachgebend, lange Streifen rothen oder grünen Lichtes über die Wellen hin.
    Bald kommt mir Fulk Ephrjuell wieder zu Gesicht. Da Miß Horatia Bluett ihre Cabine aufgesucht hat, will er sich im Achtersalon ein Stückchen Divan suchen, um die langen Glieder auszustrecken. Ich wünsche ihm gute Nacht und er verläßt mich nach der gleichen Begrüßung.
    Ich selbst werde, in meine Reisedecke eingewickelt und in einer Ecke des Verdecks lehnend, schlafen wie ein Matrose, der keine Wache hat.
    Noch ist’s erst um acht Uhr. Ich zünde also eine Cigarre an und mit gespreizten Beinen, um bei den Schlingern des Bootes sicher zu stehen, beginne ich längs der Schanzkleidung hinzuschlendern. Die Passagiere erster Classe haben das Deck bereits verlassen und ich befinde mich so ziemlich allein. Auf der Laufbrücke geht der zweite Officier hin und her und beobachtet die eingehaltene Richtung, die er dem neben ihm stehenden Steuermann angiebt. Die Schaufeln der Räder schlagen heftig ins Wasser ein und bringen fast ein donnergleiches Geräusch hervor, wenn eines oder das andere einmal nicht eintaucht. Aas dem Schornstein, der von Zeit zu Zeit glühende Funken ausspeit, wirbelt ein beißender Rauch, der vom Winde schnell zerstreut wird, in die Luft.
    Um neun Uhr ist es ganz finster geworden. Ich bemühe mich, in der Entfernung die Lichter eines Fahrzeuges zu entdecken, doch vergeblich, denn das Caspische Meer wird nicht stark befahren. Man vernimmt nur das Geschrei von Seevögeln, von Möven und Wildenten, die mit dem Winde einherflattern.
    Während meines Spazierganges kommt mir ein peinlicher Gedanke. Wenn die Fahrt nun verliefe, ohne daß ich etwas von ihr für mein Journal herausschlagen könnte!
    Die Direction würde mich dafür und am Ende mit Recht verantwortlich machen. Wie! … Nicht ein einziges Abenteuer von Tiflis bis

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