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Claudius Bombarnac

Claudius Bombarnac

Titel: Claudius Bombarnac Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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China?
    – Bis nach Peking, ganz wie jener russische Major, der neben dem Capitän der ›Astara‹ sitzt.«
    Ich betrachte die genannte Persönlichkeit von etwa fünfzig Jahren. Sie zeigt einen rein moskowitischen Typus mit halbergrautem Haar und Bart und ziemlich einnehmenden Gesichtszügen. Ich kenne die russische Sprache, er muß ja wohl die französische verstehen. Vielleicht ist er der von mir erträumte Reisegefährte.
    »Sie sagten, das sei ein Major, Herr Ephrjuell?
    – Ja, ein Arzt der russischen Armee, den ich Major Noltitz nennen hörte.«
    Entschieden hat der Amerikaner mich überholt, ohne daß er doch das Geschäft eines Reporters betreibt.
    Noch ist von Seegang nichts fühlbar; Jeder ißt ganz behaglich. Fulk Ephrjuell unterhält sich mit Miß Horatia Bluett, und ich begreife ja, wie leicht sich zwischen zwei so vollkommen angelsächsischen Naturen ein Einvernehmen herausbilden mußte.
    Dazu ist der Eine Händler mit Zähnen, die Andere Händlerin mit Menschenhaar. Miß Horatia Bluett vertritt ein bedeutendes Haus in London, das Haus Holmes-Holme, das aus dem Himmlischen Reiche alljährlich für zwei Millionen langes Frauenhaar erhält.
    Sie geht für Rechnung der genannten Firma nach Peking, um daselbst ein Comptoir zu gründen, in dem die von den Töchtern – wahrscheinlich zum Theil auch von den Söhnen – des Himmlischen Reiches gesammelten Ernten zusammenströmen sollen. Das Geschäft bietet um so günstigere Aussichten, als die Gesellschaft der »Blauen Lotosblume« die Unterdrückung des Zopfes anstrebt, weil dieser ein Zeichen der Dienstbarkeit der Chinesen gegenüber den Mandschu-Tataren sein soll.
    »Na, denk’ ich mir, wenn China sein Haar nach England schickt, so versorgt Amerika jenes mit seinen Zähnen. Das ist ja ein glattes Geschäft, an dessen weiterem Blühen nicht zu zweifeln ist.«
    Seit einer Viertelstunde sitzen wir bei Tische ohne jeden Zwischenfall. Der Reisende mit dem glatten Gesicht und seine Begleiterin scheinen uns zuzuhören, wenn wir französisch plaudern. Sie zeigen das deutlichste Verlangen, an unserem Gespräche theilzunehmen. Ich habe mich also nicht getäuscht, das sind Landsleute … doch von welcher Art? …
    In diesem Augenblick neigt sich die »Astara« nach einer Seite, die Teller klirren zwischen den Pflöcken in der Tafel, Messer und Gabeln schlagen aneinander, zu voll eingeschenkte Gläser verschütten einen Theil ihres Inhalts, die Hängelampen weichen aus der lothrechten Richtung ab oder es sind vielmehr die Sitze und Tische, die den Launen der Wellenbewegung gehorchen. Das ist recht merkwürdig mit anzusehen, wenn man seefest genug ist, davon nicht zu leiden.
    »Ah! ruft mein Amerikaner, seh’ mir Einer den netten Caspisee, der sich wie ein Gerngroß schüttelt.
    – Werden Sie leicht seekrank? frage ich ihn.
    – Ich, giebt er zur Antwort, nicht mehr als ein Meerschwein. Und Sie, Miß, wendet er sich dann an seine Nachbarin, Sie werden doch niemals seekrank?
    – Niemals,« versichert Miß Horatia Bluett.
    Auf der andern Längsseite des Tisches wechselt das Pärchen einige Worte:
    »Dir wird doch nicht übel, Madame Caterna? …
    – Nein, Adolf … noch nicht … doch wenn das so weiter geht, gestehe ich, daß …
    – Weiß schon, Caroline, so müssen wir nach dem Deck hinausgehen. Der Wind ist einen Strich nach Osten abgefallen, und die ›Astara‹ wird bald die Nase in die nassen Federn stecken.«
    Diese Ausdrucksweise läßt erkennen, daß »Herr Caterna« – denn so lautet sein Name, ein Seemann ist oder doch gewesen ist. Das erklärt das Schwanken seiner Hüften, wenn er auf dem Lande geht.
    Das Rollen des Schiffes ist schon recht schwer. Die wenigsten Tischgäste können es noch ertragen. Männliche und weibliche Passagiere, zusammen an die dreißig, haben die Tafel verlassen, um auf Deck frische Luft zu schöpfen. Ich hoffe, daß ihnen das gute Dienste leistet. Wir befinden uns nur noch ein Dutzend im Diningroom, den Capitän eingerechnet, der mit dem Major Noltitz ruhig weiter plaudert. Fulk Ephrjuell und Miß Bluett scheinen mir an solche unvermeidliche Unzuträglichkeiten einer Seefahrt sehr gewöhnt zu sein. Der deutsche Baron ißt und trinkt, als säße er fest in einer Brauerei von München oder Frankfurt; er hält das Messer in der rechten, die Gabel in der linken Hand, schneidet das Fleisch, das er salzt, pfeffert und mit Sauce anfeuchtet, in kleine Stücke und führt es in größter Gemüthsruhe zum Munde – manchmal auch

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