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Claudius Bombarnac

Claudius Bombarnac

Titel: Claudius Bombarnac Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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von der ich mir einige Redensarten gemerkt habe, und dann die chinesische, von der ich kein Wort verstehe. Deshalb ist aber nicht zu fürchten, daß ich in Turkestan und im Himmlischen Reiche nur mit offenem Munde dastehen müßte. Unterwegs trifft man genug dienstbereite Dolmetscher, und ich hoffe, mir bei dieser Fahrt mit der Groß-Transasiatischen Bahn nichts von Bedeutung entgehen zu lassen. Ich verstehe zu sehen und werde also sehen. Warum denn leugnen? Ich gehöre zu denen, die da glauben, daß hienieden Alles zu einer Wochenplauderei Stoff liefert, daß Erde, Mond, Sonne und Weltall nur geschaffen sind, um in Journalartikeln verarbeitet zu werden, und meine Feder soll unterwegs nicht feiern.
    Ehe ich Tiflis besichtige, ist es doch nöthig, die Paßangelegenheit in Ordnung zu bringen. Zum Glück handelt es sich nicht um Erlangung eines »Poderojnaïa«, den früher jeder, der Rußland bereiste, mit sich führen mußte. Das war zur Zeit der Couriere, der Postpferde, und Dank seinem mächtigen Einflusse, hob dieser officielle Passirschein alle Schwierigkeiten, sicherte dein Reisenden die schnellste Beförderung durch Relais, die liebenswürdigste Zuvorkommenheit der Geschirrführer, die ihre Pferde so antrieben, daß ein gut empfohlener Reisender die zweitausendsiebenhundert Werst lange Strecke zwischen Tiflis und St. Petersburg binnen acht Tagen zurücklegen konnte. Dafür hatte es freilich auch seine großen Schwierigkeiten, sich einen solchen Paß zu verschaffen.
    Heutzutage genügt ein einfacher Reise-Erlaubnißschein – ein Schein mit kurzer Angabe, daß der Inhaber weder ein Mordgeselle, noch ein politisch Verurtheilter, daß er, was man so sagt, ein ehrlicher Mann aus civilisirtem Lande ist. Mit Hilfe unseres Consuls in Tiflis hoffe ich, die Paßfrage bei der russischen Behörde bald erledigt zu haben.
    Das kostet mich zwei Stunden und zwei Rubel. Dann widme ich mich ganz und gar, mit Augen, Ohren und Beinen, der Erforschung der georgischen Hauptstadt, doch ohne einen Führer in Anspruch zu nehmen – denn vor diesen Leuten hab’ ich einen heiligen Schrecken. Ich hätte übrigens jeden beliebigen Fremdling durch das Straßennetz der von mir schon vorher sorgfältig studirten Stadt geleiten können – das ist Naturgabe.
    Auf meinem Wege erkenne ich denn: zunächst die »Duma«, das Rathhaus, in dem der »Golowa«, etwa der Bürgermeister, seinen Sitz hat. Hätte mir der Leser die Ehre erwiesen, mich zu begleiten, so hätte ich ihn nach der Promenade Krasnoïa-Gora am linken Ufer der Kura geführt. Diese Stelle bildet etwa die Elysäischen Felder der Stadt, eine Art Kopenhagener Tivoli oder den Jahrmarkt des Boulevard Belleville, mit ihren »Katchelis«, das sind prächtige Schaukeln, deren spitzfindig ausgeklügelte Bewegungen die richtige Seekrankheit erzeugen. Und unter dem Haufen von Jahrmarktsbuden bewegen sich hier festlich gekleidete Frauen mit unverhülltem Gesicht, also offenbar Georgierinnen oder Armenierinnen, die der christlichen Kirche angehören.
    Die Männer, reine Apollogestalten, erscheinen ziemlich reich gekleidet, haben das Aussehen von Fürsten, und ich frage mich, ob sie nicht alle solche wirklich sein mögen. Sie stammen ja in der That alle ab von … doch, die Genealogie später. Setzen wir weit ausschreitend unseren Besuch fort. Eine verlorene Minute sind verlorene zehn Berichtszeilen, und zehn Zeilen betragen … Das hängt von der Freigebigkeit des Blattes und von seinem Verwaltungsrathe ab.
    Schnell nach der großen Karawanserai. Hier rasten die aus allen Theilen Asiens herangezogenen Karawanen. An dieser Stelle trifft eben eine solche, aus armenischen Händlern bestehend, ein; an der anderen zieht, aus persischen und russischen Kaufleuten zusammengesetzt, eine zweite Karawane fort. Ich hätte mit der einen ankommen und mit der andern fortziehen mögen. Das ist leider unmöglich – ich beklage es tief. Seit Errichtung der transasiatischen Eisenbahnen begegnet man kaum noch jenen endlosen, malerischen Zügen von Reitern, Fußgängern, Pferden, Kameelen, Mauleseln und Planenwagen. Bah! Ich fürchte deshalb doch nicht, daß meine Reise durch Centralasien so uninteressant verlaufen wird. Ein Reporter des »XX. Jahrhundert« wird ihr schon die nöthige Würze zu geben verstehen.
    Da steh’ ich nun in den Bazars mit den tausenderlei Erzeugnissen Persiens, Chinas, der Türkei, Sibiriens und der Mongolei. Hier giebt’s im Ueberfluß Webstoffe aus Teheran, Chiraz, Kandahar und Kabul,

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