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Claudius Bombarnac

Claudius Bombarnac

Titel: Claudius Bombarnac Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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sind.
     
    Salerno.
    MDCCLXXXII.«
     
    Das ist also die Lieblingslectüre des Doctor Tio-King und deshalb neckt ihn sein unehrerbietiger Schüler zuweilen spöttelnd mit dem Namen Cornaro!
    Mir fehlt es an Zeit, in dem Band noch etwas andres zu sehen als sein Motto:
Abstinentia adjicit vitam
. Diesen Ausspruch des hochedlen Venetianers denk’ ich mir aber gar nicht zur Richtschnur zu nehmen – mindestens nicht bezüglich des Frühstücks.
    In der Platzvertheilung des Dining-car ist nichts verändert. Ich sitze wieder neben dem Major Noltitz, der den Seigneur Farusklar und dessen Begleiter – beide am untern Ende der Tafel – aufmerksam beobachtet. Wir fragen uns, was dieser Mongole mit dem stolzen Ausdruck wohl sein möge ….
    »Halt, sag’ ich, selbst über den Einfall lächelnd, der mir durch den Kopf schießt, vielleicht ist er gar …
    – Wer und was denn? unterbrach mich der Major.
    – Der berühmte Räuberhauptmann … der große Ki-Tsang in eigner Person …
    – Scherzen Sie immer zu, Herr Bombarnae, doch nur leise, das empfehle ich Ihnen dringend!
    – Nun ja, Herr Major; Sie werden zugeben, daß das eine höchstinteressante Persönlichkeit wäre, die das eingehendste Interview verdiente.«
    In dieser Weise scherzend, essen wir mit bestem Appetit. Das Frühstück ist vortrefflich, da die Speisekammer in Askhabad und in Duchak frisch versorgt worden war. Als Getränk gab es Thee, Wein aus der Krim und Bier aus Kazan; als Fleischspeise Hammelcotteletten und zum Dessert ausgezeichnete Conserven, eine saftige Melone und Birnen, sowie Weintrauben erster Güte.
    Nach dem Frühstück rauche ich meine Cigarre auf der hintern Plattform des Dining-car. Herr Caterna findet sich hier fast gleichzeitig ein. Offenbar hat das schätzenswerthe Mitglied diese Gelegenheit abgepaßt, zu mir in Beziehung zu treten.
    Seine leuchtenden, aber halb geschlossenen Augen, sein glattes Gesicht seine an falsche Backenbärte gewöhnten Wangen nebst den an falsche Schnurrbärte gewöhnten Lippen, sein an knallrothe, schwarze, graue Perücken, mit oder ohne Glatze, je nach der Rolle gewöhntes Haupt – Alles kennzeichnet den zum Leben auf den Brettern geschaffenen Komödianten. Herr Caterna hat aber auch dabei einen offenherzigen Ausdruck und ein immer heiteres Gesicht, ehrbares Wesen und ungezwungene Haltung – mit einem Wort, man erkennt an ihm den Mann!
    »Ist es denkbar, mein Herr, redet er mich an, daß zwei Franzosen von Baku bis Peking mit einander reisen, ohne Bekanntschaft zu machen?
    – Mein Herr, antworte ich, wenn ich einem Landsmann begegne …
    – Der geborner Pariser ist, mein Herr …
    – Und folglich zweimal Franzose, füg’ ich hinzu, würd’ ich’s niemals über mich bringen, ihm nicht einmal die Hand gedrückt zu haben. Also, Herr Caterna …
    – Sie kennen meinen Namen? …
    – So wie Sie jedenfalls den meinigen.
    – Gewiß, Herr Claudius Bombarnae, Berichterstatter für das ›XX. Jahrhundert‹.
    – Ganz recht, zu Ihren Diensten.
    – Tausend Dank, Herr Bombarnae, oder vielmehr zehntausend Mal Dank, wie man in China sagt, wohin ich mich mit meiner Gattin begebe..
    – Um in Shangai bei der Schauspielergesellschaft des französischen Theaters Vorstellungen zu geben ….
    – Sie sind ja über Alles unterrichtet?
    – Nun, ein Reporter!
    – Ja, das ist richtig.
    – Ich erinnere mich auch, daß Sie sich einiger seemännischer Ausdrücke bedienten, und daß ich daraus schloß, Sie müßten schon einmal Seefahrer gewesen sein, Herr Caterna.
    – Im richtigen Cours, Herr Reporter. Ich gehörte zur Schaluppenmannschaft des Admirals de Bolssondy an Bord des ›Redoutable‹.
    – Da fällt mir aber auf, daß Sie, ein Seemann, nicht den Seeweg gewählt haben.
    – Ah, Herr Bombarnae, das kommt daher, daß meine Frau, ohne Zweifel die erste Artistin des Landes, die keine Andere in den Wanten überholt – entschuldigen Sie, da schlägt mich der alte Matrose in den Nacken – die Keine als Soubrette und muntere Liebhaberin übertrifft, die Seefahrt nicht verträgt. Sobald ich dann von der Eröffnung der Groß-Transasiatischen Bahn erfuhr, sagt’ ich zu ihr: ›Beruhige Dich, Caroline! Sorge Dich nicht mehr wegen des tückischen treulosen Elements! Wir reisen quer durch Rußland, Turkestan und China, ohne den festen Erdboden zu verlassen!‹ Das hat ihr wohlgefallen, meinem Püppchen, die so hingebend, so … ich finde nicht das rechte Wort …, kurz, eine Soubrette ist, die nöthigenfalls hochtragische

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