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Claudius Bombarnac

Claudius Bombarnac

Titel: Claudius Bombarnac Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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könnten, einen Bahnzug zu überfallen?
    – Gewiß, Herr Major; und das beruhigt mich einigermaßen.

    – Wie? … Das beruhigt Sie? …
    – Natürlich, denn mir liegt vorzüglich daran, daß sich bei unserer Fahrt ein kleines Unglück ereignet.
    – Wahrhaftig, mein Herr Reporter, ich bewundere Sie! … Sie brauchen Unglücksfälle, aufregende Ereignisse …
    – Ganz wie der Arzt Kranke braucht. Möge sich also bald ein hübsches, interessantes Abenteuer ereignen ….
    – O, Herr Bombarnae, ich fürchte, daß Sie hierin nicht völlig enttäuscht werden, wenn es, wie ich gehört habe, wahr ist, daß die Gesellschaft mit gewissen Bandenführern in Unterhandlung getreten ist ….
    – Wie die berüchtigte hellenische Verwaltung mit Hadji Stavros in About’s Roman? …
    – Ganz richtig, und wer weiß, ob etwa auf seinen Vorschlag …
    – Freilich, freilich, das möcht’ ich im Voraus glauben ….
    – Warum auch nicht, antwortet der Major Noltitz Es wäre in der That sehr
fin de siècle
, dieses Mittel, die Sicherheit der Züge auf ihrer Fahrt durch das Himmlische Reich zu gewährleisten. Uebrigens giebt es noch einen berüchtigten Wegelagerer, der sich seine Unabhängigkeit, seine Handelsfreiheit zu erhalten strebt, das ist ein gewisser Ki-Tsang …
    – Was ist dieser Chinese?
    – Ein kühner Räuberhauptmann, halb chinesischen, halb mongolischen Ursprungs. Nachdem er lange Zeit Yunnan gebrandschatzt, wo ihm schließlich der Boden unter den Füßen zu heiß wurde, ist er nach den Nordprovinzen übergesiedelt. Man hat auch seine Anwesenheit in den Gegenden der Mongolei gemeldet, welche die Groß-Transasiatische Bahn durchschneidet ….
    – Hallo! Da haben wir ja einen Lieferanten für Zeitungsberichte, wie man sich nur einen wünschen kann!
    – Herr Bombarnae, die Zeitungsberichte, die Sie jenem Ki-Tsang zu verdanken hätten, würden ziemlich theuer werden.
    – Bah, Herr Major, das ›XX. Jahrhundert‹ ist reich genug, seinen Ruhm zu bezahlen ….
    – Mit seinem Gelde, ja; wir Andern könnten sie aber mit dem Leben bezahlen müssen! Zum Glück hat uns kein Mitreisender in dieser Weise sprechen hören, denn sonst würde man gewiß Ihre Entfernung aus dem Zuge verlangen. Also Vorsicht, und lassen Sie ja nichts von Ihren Reporterwünschen, so weit sie sich auf Abenteuer beziehen, vor Andern laut werden. Jedenfalls wollen wir mit jenem Ki-Tsang nichts zu schaffen haben, das ist sicherlich besser für die Reisenden ….
    – Nicht aber für die Reise, Herr Major.«
    Wir kehren nun nach dem Bahnhof zurück. Der Aufenthalt in Duchak soll noch eine halbe Stunde währen. Beim Auf-und Abgehen längs des Perrons beobachte ich einen Vorgang, der die Zusammenstellung unseres Zuges verändert.
    Von Teheran ist auf der Zweiglinie über Meschhed, die die persische Hauptstadt mit der Transasiatischen Bahn verbindet, noch ein weiterer Packwagen eingetroffen.
    Diesen wohlverschlossenen und plombierten Wagen begleitet eine Schaar von sechs bewaffneten Personen, deren Aufgabe es zu sein scheint, den Wagen nie aus den Augen zu verlieren.
    Ich weiß nicht, ob es in meiner zufälligen Geistesverfassung liegt, doch es ist mir, als ob jener Packwagen etwas Besonderes, Geheimnißvolles an sich hätte, und nachdem mich der Major verlassen hat, wende ich mich an Popof, der den betreffenden Vorgang überwacht.
    »Wohin geht dieser dritte Packwagen, Popos.
    – Nach Peking, Herr Bombarnae.
    – Und was befördert er?
    – Was er befördert? … Eine große Persönlichkeit.
    – Wie? Eine Person von hohem Range?
    – Das setzt Sie in Erstaunen?
    – Natürlich … in einem solchen Güterwagen …
    – Ja, wenn er’s nicht anders will.
    – Nun, Popof, Sie werden mich aufmerksam machen, wenn die große Persönlichkeit aussteigt.
    – Die wird gar nicht aussteigen.
    – Warum nicht?
    – Weil sie todt ist.
    – Todt?
    – Ja, es ist nur die Leiche des Mannes, die wir nach Peking schaffen, wo man ihr ein Begräbniß mit allen Ehrenbezeugungen gewähren wird«
    Na, da haben wir ja nun eine wichtige Persönlichkeit in unserem Zuge … aber nur als Leichnam. Thut nichts! Ich empfehle Popof, sich nach dem Namen des Verstorbenen zu erkundigen. Das muß ein Mandarin von hohem Rang sein. Sobald ich etwas Näheres erfahre, geht ein Telegramm an das »XX. Jahrhundert« ab.
    Während ich den Packwagen betrachte, starrt ihn ein neuangekommener Reisender mit derselben Neugier wie ich an.
    Dieser Reisende ist ein Mann von stolzem Aussehen, etwa

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