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Claudius Bombarnac

Claudius Bombarnac

Titel: Claudius Bombarnac Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Partien spielt, um einen Director nicht in der Tinte sitzen zu lassen. Eine Künstlerin, sage ich Ihnen, eine wirkliche, geborene Künstlerin!«
    Dem Herrn Caterna hört sich’s angenehm zu. Er »steht unter Druck«, wie die Mechaniker sagen, und man darf ihn nicht stören, den Dampf abblasen zu lassen. Ist es so auffallend, daß er seine Frau anbetet? Ich glaube gern, daß sie ihm nichts schuldig bleibt. Ein für einander geschaffenes Pärchen, das, wie ich von meinen Reisegenossen höre, niemals in Verlegenheit, niemals verzweifelt, sondern mit seinem Loose zufrieden ist, das weiter nichts liebt, als das Theater, vorzüglich das der Provinz, wo Herr und Frau Caterna flottweg Drama, Vaudeville, Komödie, Operette, komische Oper, große Oper, Uebersetzungen, Ausstattungsstücke und Pantomimen spielen, sich bei Vorstellungen, die um fünf Uhr Nachmittags beginnen und um ein Uhr Nachts enden, glücklich fühlen und die in den größeren Städten auf den vorhandenen Bühnen, sonst aber in den Rathhaussälen der kleineren Ortschaften, in den Scheunen der Dörfer auftreten, sobald sie nur den Staub der Fahrt abgeschüttelt haben, und die nun ihre Kunst zeigen, ohne weiteres Ensemble, ohne Orchester, zuweilen sogar ohne Publicum – was sie der Mühe überhebt, das Eintrittsgeld zurückzuzahlen – mit einem Wort, das sind Komödianten, denen jede Jacke paßt.
    In seiner Eigenschaft als Pariser ist Herr Caterna jedenfalls der Bruder Lustig des Vorderdecks gewesen, so lange er noch zur See fuhr. Geschickt mit den Händen wie ein Taschenspieler, und mit den Füßen wie ein Seiltänzer, dazu mit der Zunge oder den Lippen, die Töne aller Holz-und Messinginstrumente nachzuahmen, verfügt er über die mannigfachste Sammlung von Gassenhauern, Trinkliedern, patriotischen Gesängen, Monologen, bis hinab zu den Knalleffecten der Café-chantants. Das erzählt er mir mit hundert Gesten, einer unerreichbaren Mundfertigkeit, hin und her gehend, sich auf gespreizten Beinen wiegend, und mit Fußposen, als stünde er auf dem Podium eines Vorstadtrestaurants.
    »Und wo waren Sie vor dem Weggange aus Frankreich? frage ich ihn.
    – In la Ferté-sous-Jouarre, wo Madame Caterna einen glänzenden Erfolg in der Rolle der Elsa aus dem ›Lohengrin‹ hatte, den wir natürlich ohne Musik spielten. Es ist auch wirklich ein interessantes und schönes Bühnenstück!
    – Sie müssen doch in der ganzen Welt umhergekommen sein, Herr Caterna?
    – Das glaube ich! In England, Rußland, Nord-und Südamerika, ach, Herr Claudius ….«
    Er nennt mich schon einfach Claudius.
    »Ach, Herr Claudius, es gab eine Zeit, wo ich der reine Götze von Buenos-Ayres und ganz Rio de Janeiro war! Glauben Sie nicht, daß ich Ihnen Flausen vormache. Schlecht in Paris, bin ich doch ausgezeichnet in der Provinz. In Paris – da spielt man nur für sich selbst … in der Provinz spielt man nur für andere Leute! Und dann mein Repertoire!
    – Mein Compliment, lieber Landsmann!
    – Ich danke Ihnen, Herr Claudius, denn ich liebe meinen Beruf. Was wollen Sie, es kann doch nicht Jeder beanspruchen, Senator oder … Reporter zu sein! …
    – Das ist freilich schlimm, Herr Caterna, sagte ich lächelnd.
    – Nein, das ist ganz in der Ordnung.«
    Während der unerschöpfliche Mime nun seinen Rosenkranz weiter abbetete, fliegen zwischen zwei Pfiffen die Stationen an uns vorüber, darunter Kulka, Nisa-church, Kulla-Minor und andere … alle sehr dürftig von Aussehen; nachher Bairam-Ali, siebenhundertfünfundneunzig, und Kurlan-Kala, achthundertfünfzehn Werst vom Ausgangspunkte der Bahn.
    »Wenn ich nichts verheimlichen soll, fährt Herr Caterna fort, so haben wir bei unserer Zickzacktournée von Stadt zu Stadt auch etwas Geld erworben. In unseren Koffern liegen einige Pfandbriefe der Nordbahn, auf die ich viel halte und die ich als sichere Anlage für die Zukunft ansehe. Und ehrlich verdient sind sie obendrein, Herr Claudius! Mein Gott, ich weiß es ja, obwohl wir zu Hause unter demokratischer Regierung, unter der Herrschaft der Gleichheit leben, ist doch die Zeit noch sehr fern, wo man den Bühnenvater zur Seite des Bürgermeisters wird beim Präsidenten des Appellationshofes speisen sehen, oder wo die Soubrette den Ball bei dem Gemeindevorstand mit dem commandirenden General eröffnet! Ja, ja, man speist und tanzt nur unter sich …
    – Und das ist darum nicht minder unterhaltend, Herr Caterna ….
    – Nicht weniger als recht und gerecht, Herr Claudius!« erwiderte der

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