Claudius Bombarnac
zukünftige erste Komiker von Shangai, indem er eine imaginäre Halskrause mit der zwanglosen Haltung eines Hofherrn aus der Zeit Ludwigs des XV. schüttelte.
Da tritt auch Frau Caterna auf uns zu. Sie ist die würdige Gefährtin ihres Gatten, geschaffen und in die Welt gekommen, ihn im Leben wie auf der Bühne zu vervollständigen, eine Theaterdame, die weder Zierpuppe noch Lästerzunge ist, ein Kind, das den Fußstapfen seines Vaters folgte, jedoch geboren, man weiß nicht wo und fast nicht einmal wie – Alles in Allem aber doch eine hübsche Erscheinung.
»Ich beehre mich, Ihnen Caroline Caterna vorzustellen, sagt der Mime in einem Tone, als ob er mir die Patti oder Sarah Bernhardt zuführte.
– Nachdem ich die Hand Ihres Gatten gedrückt, sage ich, würde ich mich glücklich schätzen, auch die Ihrige drücken zu dürfen, Frau Caterna ….
– Hier ist sie, mein Herr, antwortet mir die Soubrette freimüthig, – hier, immer bereit und ohne Souffleur!
– Wie Sie sehen, keine Zierpuppe und die beste der Frauen …
– Wie er der beste der Ehemänner ist!
– Das schmeichle ich mir, Herr Claudius, versetzt der Mime, und warum? Weil ich eingesehen habe, daß die Ehe vollständig mit der Vorschrift im Evangelium zusammenfällt, nach der die Männer zu sagen haben: Was die Frau liebt, davon bekommt der Mann häufig zu essen!«
Wahrlich, dieser wandelnde Komödiant war rührend anzusehen und unterschied sich sehr zu seinem Vortheil von der Hin-und Herrederei über »Soll und Haben«, die da im Innern des Waggons noch kein Ende fand.
Jetzt tritt auch der Baron Weißschnitzerdörser mit einer Reisemütze auf dem Kopfe aus dem »Dining-car«, wo er, das ist meine Ueberzeugung, gewiß jede Minute zur Durchsicht der Fahrpläne angewendet hat.
»Aha, das Männchen mit dem lustigen Hute! rief Herr Caterna, nachdem der Baron, ohne uns eines Grußes zu würdigen, in den Wagen zurückgetreten ist.
– Das ist der richtige deutsche Bär! bemerkte Frau Caterna.
– Und da nennt Heinrich Heine diese Leute noch sentimentale Eichen! füg’ ich hinzu.
– Dann hat er den hier nicht gekannt! antwortete Frau Caterna. Eine Eiche … mag sein, doch sentimental …
– Wissen Sie denn, weshalb der Baron jetzt die Groß-Transasiatische Bahn befährt?
– Doch, um in Peking Sauerkraut zu essen! scherzt Frau Caterna.
– Fehlgeschossen! Er ist hier als Rivale der Miß Nellie Bly. Er beabsichtigt, eine Reise um die Erde zu machen, und zwar in neununddreißig Tagen …
– In neununddreißig Tagen! ruft Frau Caterna. Sie wollen sagen, hundertneunundreißig! Das ist kein Sportsmann, dieser Baron, keine Spur eines Sportmanns!«
Der Komödiant beginnt mit dem Tone einer Clarinette das bekannte Lied aus den »Glocken von Corneville«:
Dreimal hab’ ich die Welt umreist …
Dann, dem verschwindenden Baron nach:
Ich mache nicht einmal die Hälfte!
Zehntes Capitel.
Eine ununterbrochene Reihe von Ortschaften, arabische Hütten. (S. 105.)
Um zwölf Uhr fünfzehn hat unser Zug die Station Kari-Bata hinter sich gebracht, die schon mehr einer Haltestelle der Eisenbahn zwischen Neapel und Sorrent gleicht, wegen der italienischen Dächer der Häuser. Hier fällt mir ein großes asiatisch-russisches Lager in die Augen, dessen Fahnen im frischen Winde flattern.
Von hier strahlt noch ein Ueberbleibsel jener Localfarbe aus. (S. 108.)
Wir haben die Oase von Merv erreicht, die bei einer Länge von hundertfünfundzwanzig Kilometern zwölf Kilometer breit ist und sechshunderttausend Hektaren umfaßt …. Der Leser wird zugestehen, daß es meinen Angaben nicht an der nöthigen Genauigkeit fehlt.
Rechts und links wohlbestellte Felder, Gruppen von schönen Bäumen, eine ununterbrochene Reihe von Ortschaften, arabische Hütten im Dickicht halb verborgen, Obstgärten zwischen den Häusern, und auf den ausgedehnten Weiden sich tummelnde Schaf-und Rinderheerden … Die fruchtbare Landschaft war von dem Murgab – dem »Weißen Wasser« – und durch dessen Nebenarm berieselt, und überall schwärmen hier Fasanen umher, wie die Krähen auf den Ebenen der Normandie.
Um ein Uhr Nachmittag hält der Zug im Bahnhof von Merv an, das von Uzun-Ada achthundertzweiundzwanzig Kilometer entfernt ist. Die Fackel des Krieges hat Turkestan nicht verschont. In früherer Zeit war dasselbe, wie es scheint, ein Mörder-und Räubernest, und es ist für den armen Ki-Tsang bedauerlich, daß er nicht zu jener Zeit gelebt hat. Vielleicht
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