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Claudius Bombarnac

Claudius Bombarnac

Titel: Claudius Bombarnac Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Gattin, was ihr in Lan-Tcheu am merkwürdigsten erschienen sei.
    »Am merkwürdigsten, Adolph? … Das waren die großen, an Mauern und Bäumen hängenden Käfige, die so sonderbare Vögel enthielten ….
    – Sonderbare … gewiß, Frau Caterna, antwortet Pan-Chao, Vögel, die ihre Lebensgeschichte in eigner Sprache erzählen ….
    – Wie, das wären Papageien gewesen? …
    – Nein; sondern Köpfe von Verbrechern ….
    – Entsetzlich! ruft die erschrockne Soubrette mit ausdrucksvoller Miene.
    – Ja, was fährst Du darüber so auf, Caroline? erwidert ihr Herr Caterna ganz gelassen. Was ist denn dabei, wenn das hier zu Lande einmal Mode ist?«
Vierundzwanzigstes Capitel.
    Von Lan-Tcheu aus durchzieht die Eisenbahn einen sorgfältig angebauten, von vielen Wasseradern befruchteten Landstrich mit unebenem Boden, der zahlreiche Umwege bedingt. Die Ingenieure haben hier mehrfache Kunstbauten, Brücken und Ueberführungen, herstellen müssen – freilich sind es nur Holzconstructionen von zweifelhafter Sicherheit, und der Reisende fühlt sich nicht gerade beruhigt, wenn er die Fahrbahn unter der Last des Zuges nachgeben fühlt. Doch, wir befinden uns im Himmlischen Reiche, und ein paar Tausend Opfer eines Eisenbahnunglücks würden unter den vierhundert Millionen Bewohnern – gar nicht bemerkt werden.
    »Uebrigens, belehrt uns Pan-Chao, reist der Sohn des Himmels niemals mit der Eisenbahn.«
    Nun desto besser für ihn.
    Um sechs Uhr Abends treffen wir in King-Tcheu ein, nachdem wir auf einem Theile der Fahrt den launischen Windungen der Großen Mauer gefolgt waren. Von dieser ungeheuren künstlichen Grenze, die sich zwischen der Mongolei und dem eigentlichen China erhebt, ist nichts mehr übrig, als die Quaderblöcke von Granit oder röthlichem Quarz, die ihre Unterlage bildeten, die Backsteinterrasse mit ungleich hoher Brustwehr, einige alte, vom Rost zerfressne und unter einem dichten Vorhange von Flechten versteckte Kanonen, nebst einzelnen viereckigen Thürmen mit zerfallenen Zinnen. Der schier endlose Wall steigt hinauf und herab, schlängelt sich rück-und vorwärts und schmiegt sich über Sehweite hinaus den Unebenheiten des Bodens an.
    Um sechs Uhr Abends halbstündiger Aufenthalt in King-Tcheu, von dem ich nur einige hohe Pagoden zu Gesicht bekommen habe, und gegen zehn Uhr dreiviertelstündige Ruhe in Si-Ngan, dessen Schattenriß ich nicht einmal zu erkennen vermochte.
    Die ganze Nacht ging hin zur Durchmessung der dreihundert Kilometer, die diese Stadt von Ho-Nan trennen, wo wir wieder eine Stunde lang Rast machten.
    Ich glaube, eingeborne Londoner würden sich leicht haben einbilden können, daß die Stadt Ho-Nan ihr London sei, und es ist leicht möglich, daß Frau Ephrjuell hier einer derartigen Täuschung verfiel. Doch daran war nicht etwa schuld, daß es hier einen »Strand« mit dem unendlichen Gewimmel von Fußgängern und Wagen, oder eine Themse mit ihrem außerordentlichen Gewühl von Lastfahrzeugen und Dampfbooten gegeben hätte. Nein! Wir befanden uns aber inmitten eines so echt britannischen Nebels, daß es ganz unmöglich war, von den Häusern oder den verschleierten Pagoden auch nur das geringste zu erkennen.
    Dieser Nebel dauerte den ganzen Tag an – was die Fortbewegung des Zuges nicht wenig erschwerte. Die Himmlischen Locomotivführer sind wirklich recht verständig, aufmerksam und einsichtsvoll und verdienten ihren Kameraden von den abendländischen Bahnen als Muster vorgehalten zu werden.
    Alle Wetter und Teufel! Wir sind während unsers letzten Reisetages vor der Ankunft in Tien-Tsin gerade nicht vom Himmel begünstigt! Wie viele Berichtszeilen mich das kostet! Wie viele schöne Schilderungen gehen mir in diesen undurchdringlichen Dunstmassen verloren! Ich habe keine Spur gesehen von den Klüften und Schluchten, durch die die Groß-Transasiatische Bahn hinführt, nichts vom Thale von Lu-Ngan, wo wir um elf Uhr anhalten, nichts von den zweihundertdreißig Kilometern, die wir dahingefahren sind unter einer Art gelblichen, dieses gelben Landes durchaus würdigen Schaumes, bis wir in Taï-Yuan um zehn Uhr Abends wieder anhalten.
    O, dieser verpfuschte Tag!
    Zum Glück hat sich der Nebel in den ersten Abendstunden aufgehellt. Es ist die höchste Zeit, jetzt, wo uns die Nacht, und zwar eine pechdunkle Nacht umfängt.
    Ich begebe mich zum Buffet des Bahnhofs, wo ich einiges Backwerk und eine Flasche Wein erkaufe. Ich denke nun, Kinko den letzten Besuch abzustatten. Wir werden zusammen auf seine

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