Claustria (German Edition)
Zahnfleisch ein. Im Kühlschrank wird das Brot nicht so trocken. Ich gebe ein bisschen Öl ins Wasser, dann wird meine Haut glatter. Er hat gemerkt, dass meine Haare nach Eigelb gerochen haben, dann hat er die restlichen Eier im Klo zerschlagen. Er hat gesagt: Dieses Mal isst du sie. Er hat meinen Kopf in die Kloschüssel gedrückt, ich blute noch ein bisschen, spucken kann ich nicht mehr.
Primitive Gewalt. Fritzl lässt den Peiniger und dessen subtile Methoden hinter sich und benimmt sich wie ein Pavian, ein großer Primat. Die Alphamännchen schlagen, vergewaltigen und töten manchmal die Rangniedrigen der Sippe.
Mit seinen Prügeln läuft er Gefahr, das Spielzeug kaputt zu machen – das zornige Kind zerschlägt es eher, als zu verstehen zu versuchen, warum es nicht gehorcht. Fritzl glaubte, Angelika sich selbst entrissen, ihr anstelle ihres Willens den seinen eingepflanzt zu haben – nur noch Fleisch und er darin. Im Keller war keiner außer ihm. Ein Körper ist ein Niemand.
Wenn die Kinder schlafen, bin ich ganz allein in meinem Bett. Stets macht er meine Zimmertür auf. Wenn er doch immer Lebensmittel bringen könnte wie ein Lieferant. Ich weiß nicht, wer glücklich ist, in der Schule hat man uns gesagt, dass wir nicht neidisch sein sollen. Ich will nicht, dass es mir schlecht geht. Ich will gar nichts. Alles tut immer weh.
Bruchstücke, Ausbrüche, unwahrscheinliche Glücksmomente strahlen wie Licht in der Dunkelheit, der Alltag gestaltet sich überall neu, Enttäuschungen, Leid, an das man sich gewöhnt; kleine, hübsche, unumgängliche Freuden wie Wassertropfen, ewig die unmögliche Traurigkeit. Immer nistet sich Hoffnung ein, der Wunsch, nicht mehr hier zu sein, wenn das innere Leid zu groß wird. Das Vergnügen, wieder zu atmen, wenn einem der Hals nicht mehr zugedrückt wird, wenn wieder Wasser läuft, die Begeisterung über die wieder funktionierende Glühbirne, das erhellte Leben. Der Genuss, wieder Essen zu riechen, wenn man fast an Nahrungsmangel gestorben wäre. Der Schmerz, zu oft davon geträumt zu haben, vergeht. Die Einkaufstaschen sind voller Juwelen, die Reiskörner in der Packung sind Diamanten.
Wir haben nicht gelitten. Wir wissen nichts vom Glück. Unser Leben in Halbtönen: Dunkelgrau, das wir für Schwarz halten, ein so helles Grau, das wir nie vom Staub unterscheiden konnten und das wir immer als Weiß angesehen haben.
Das Martyrium, einmal die Reinheit kennengelernt zu haben. Unermessliche Freude steigt aus den Tiefen auf, aus denen wir nie zurückgekommen sind, nur ein Blick in den Himmel durch den Wassertunnel wie durch eine Lupe. Die Befreiung aus dem Keller, diesem durchbohrten Loch, und das Draußen, in dem man sich sein ganzes Leben als unsicherer, verwirrter, einsamer Tourist inmitten der Meute umherschleppen wird. Das Übel des schrecklichen Landes, dieser Abgrund, der einem folgt, einem vorauseilt, einen umgibt, ein Schatten, ein dunkles Rund und all diese Sonnen.
Es gibt noch einen Klecks Butter. Ich glaube, der Sommer ist vorbei, man kann besser riechen, wenn es kalt ist, es muss Herbst sein, sicherlich haben wir seit Kurzem Juni. Ich habe den Kindern gesagt, sie sollen den Duft der blühenden Bäume atmen. Er fällt in den Keller ein wie Lärm. Er ist gekommen, in seinen Haaren eine weiße Blüte, die Kirschbäume verlieren beim kleinsten Windstoß ihre Blüten. Er wollte, dass ich rede, als wir im Bett waren, war sein Körper so schwer auf mir, dass ich keine Luft mehr bekommen habe. Im Kühlschrank frisches Wasser mit einem Zitronenstückchen in der Flasche, ich wasche ein Kleidungsstück pro Tag. Er hatte schwere Schuhe an, meine Füße tun nicht mehr weh. Drei Kartoffeln verdorben, sie haben gekeimt, ohne Kartoffeln zu geben.
In den ersten Jahren traute sie sich nicht, gestillte Bedürfnisse einzugestehen, nur Erinnerungen an frühere Lieben.
Thomas hat sich beeilt, er hat wieder von vorn angefangen, es war nie vorbei. Ich mag es, wenn meine Beine in der Sitzbadewanne angewinkelt sind. Über dem Wasser habe ich jemanden gesehen. Unten in der Spüle war es hell, das Licht steigt wieder aus dem Rohr auf, wenn da oben zu viel Sonne ist. Schweiß auf meinem Bauch, auch wenn es kalt ist. Mir gefallen meine Finger, wenn ich die Nägel lackiere. Da gibt es einen großen Trottel, der über meine Nägel rennt. Ich schminke mich, um auszusehen wie eine Puppe, er hat ein Kleidchen gebracht, das mir gut steht. Viele Bilder in der Kinderecke. Ich weiß nicht, wer es war,
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