Claustria (German Edition)

und zuckerhaltigem Gebäck vollzustopfen! Dann der Sauerstoffmangel – wenn man nicht das Glück hat, im Gebirge zu wohnen, geht man zumindest ein paar Minuten am Tag an die Luft, um tief durchzuatmen und sich durchzulüften. Ganz zu schweigen von wirklichem Sport, den man in einem engen Raum nicht ausüben kann, deswegen sollte man lange Spaziergänge unternehmen. Nicht umsonst zeigt man oft Gefängnisinsassen, die wie Besessene die wenigen Meter ihrer Zelle abmarschieren. Nach neunzehn Jahren dieser Lebensweise ist es ein Wunder, dass Petra heute nicht im Rollstuhl sitzt.“
    Fritzl strich sich über die Brust.
    „Ich mache Liegestützen.“
    Doch er beklagte sich über das Gefängnisessen, das seinen Bauch anschwellen ließ. Gretel schenkte ihm einen elektrischen Bauchgürtel. Aber ein Standfahrrad und ein Paar Hanteln verweigerte ihm die Anstaltsleitung. Die Fahrradkette und auch die Hanteln könnten als Waffe eingesetzt werden, um die Wärter auszuschalten.

Ende Juni gab das Justizministerium bekannt, dass Angelika auf der Polizeiwache eine Aussage machen wollte.
    „Ein Starlet, Herr Fritzl, Sie haben ein Starlet gezeugt. Vermutlich will sie, dass das Interview mit ihr in Hollywood gedreht und der Untersuchungsrichter durch George Clooney ersetzt wird. Designerkleid, geliehener Schmuck von Tiffany , brandneue Zähne, aufgespritzte Lippen, ein Text, der von einem unserer berühmtesten Drehbuchautoren verfasst und wochenlang mit einem Coach geprobt wurde. Und wir können mit Sicherheit davon ausgehen, dass sie viele Tränen vergießen wird, um die Geschworenen anzurühren. Gar nicht zu reden von dem Film, der anschließend in allen Kinosälen der Welt gezeigt werden wird, Nominierungen auf Festivals, die Goldene Palme für die beste Frauenrolle, die ihr aus lauter Volksverhetzung und Hass auf unser Vaterland auf einem silbernen Tablett serviert werden wird.“
    Er schlug sich kurz wütend auf den Schenkel.
    „Um Karriere als Opfer zu machen, wird sie sicherlich ganze Ströme von Tränen heulen. Krokodilstränen natürlich. Man wird eine Mentholwolke vor ihren Augen verdampfen lassen, damit das Wasser heiß und in dicken Tropfen läuft.“
    Fritzl lachte geräuschlos, seine Augen leuchteten vor Stolz. Der Stolz eines Vaters, dessen Tochter auf dem Weg ist, ein Star zu werden.
    „Wie auch immer, Karriere hin oder her, sie ist hinterhältig. Wenn sie ihre Zeugenaussage als Video schickt, kann sie sicher sein, dass die Geschworenen ihr keine einzige lästige Frage stellen werden. Und Sie werden sehen, am Ende ihres Features wird man ihr zujubeln wie einer Heiligen.“
    Gretel hob die Augen zum Himmel.
    „Wer weiß? Vielleicht geht der Vorhang ja auch mehrmals auf und zu.“
    Ein neidischer Schauspieler, der fürchtete, am Ende nur die zweite Geige in dieser Gerichtsposse zu spielen.
    Für August hatte Gretel seiner Familie zwei Wochen Urlaub am Meer in Griechenland versprochen. Widerwillig reiste er ab. Nach drei Tagen kam er schleunigst wieder zurück, nachdem er seine Familie in ein Clubhotel auf Korfu gesteckt hatte.
    Seine Frau war enttäuscht.
    „Man könnte meinen, dieser Dreckskerl ist dir lieber als unsere Kinder.“
    „Ich bin am Montag wieder zurück.“
    Er hielt nicht Wort. Er hatte Angst, Fritzl könnte sich verlassen fühlen und seine Gunst einem anderen Verteidiger schenken. Um ihm näher zu sein, nahm Gretel ein Hotelzimmer unweit des Gefängnisses.
    Er nutzte die Gerichtsferien, um Fritzl morgens und abends zu besuchen. Manchmal brachte er Aufschnitt und Weißwein mit, damit er mit Fritzl eine Jause machen konnte und ihn bis zum Abend nicht mehr verlassen musste. Von Angesicht zu Angesicht schwitzten sie in der Zelle, die in der Augusthitze fast zusammenschmolz.
    Keiner der beiden war so veranlagt, dass er jemandem seine Freundschaft geschenkt hätte. Dennoch entwickelte sich zwischen ihnen eine Art Kameradschaft. Der Anwalt nannte Fritzl weiterhin alle Augenblicke „Herr Fritzl“, jener redete ihn mit „Herr Magister“ an, aber sie führten lange Unterhaltungen, in denen sie ihre Lebensauffassungen austauschten und sich mitunter zu Vertraulichkeiten hinreißen ließen. Fritzl war selbstverliebt. Er zeigte sich wortgewandt, rühmte seine Klugheit, seinen Charme und seine Fähigkeiten als Geschäftsmann.
    „Aber Herr Fritzl, Sie sind in Konkurs gegangen.“
    „Ich werde wieder ein Vermögen machen.“
    Er rechnete damit, seine Schulden mit der Million zu begleichen, die ihm ein deutscher