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Claustria (German Edition)

Claustria (German Edition)

Titel: Claustria (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Régis Jauffret
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stirbt?“
    Fritzl dachte nach und schnaubte laut durch die Nasenlöcher wie ein Ochse durch die Nüstern. Dann hob er wieder den Kopf und holte mit der Faust zu einem Schlag in Angelikas Gesicht aus. Aus Reflex wich sie vor dem Hieb zurück.
    „Immer macht ihr nur Scherereien!“
    „Ich mache mir Sorgen.“
    Er stieß Angelika zurück, ging ins Schlafzimmer. Die beiden Kleinen schliefen mit angezogenen Beinen im großen Bett. Er schüttelte Martin. Eine Stunde zuvor hatte er Sirup bekommen. Er wachte nicht auf, seine Schwester auch nicht. Fritzl packte ihn am Arm, hob ihn hoch. Der Junge öffnete den Mund und jammerte, schlug aber die Augen nicht auf. Fritzl ließ ihn fallen, sein Kopf prallte mit einem dumpfen Knall auf den Boden. Trotz der Schläge wachte auch Petra nicht auf. Fritzl zeterte, er gab dem Bett einen Tritt.
    Als er wieder durch die Küche ging, schrie und schimpfte er auf Angelika. Als er zur Speisekammer kam, stand die Stahltür sperrangelweit offen.
    Sie hatte ihn im Schlafzimmer vermutet. Hatte die Tür halb aufgezogen, war durch das Labyrinth gerannt. Es war wie in einem Traum gewesen, sie hatte nicht einmal Angst gehabt. Ihr ganzes Leben lang bereute sie es, die Türen nicht hinter sich zugeschlagen zu haben, um ihren Vater aufzuhalten. Sie passierte die zweite Schleuse, durchquerte das Büro.
    Am selben Morgen war wegen eines Notfalls der Spengler gerufen worden. Der Heizkessel war in der Nacht kaputtgegangen. Die Temperatur im Haus war auf zwölf Grad gefallen, die wütenden Mieter hatten vom frühen Morgen an bei Fritzl an die Tür gehämmert.
    Der Brenner war repariert, der Kessel wieder in Betrieb genommen, der Handwerker hatte gerade sein Werkzeug zusammengepackt. Angelika stand im Heizungskeller. Eine blasse, atemlose Frau, die einen eigenartigen, entsetzlichen Kellergeruch verströmte. Sie stürzte sich auf den Mann, umschlang mit beiden Armen seinen Oberkörper, als wolle sie ihn auf den Mund küssen.
    Er schrie auf, auch sie schrie. Um sie loszuwerden, warf er sich mit ihr gegen die Wand. Wie betäubt fiel sie zu Boden. Er schnappte seinen Werkzeugkasten, stieg an die Erdoberfläche und fluchte bei jedem Atemzug.
    Er verließ das Haus. Stieg schnell in sein Auto. Fuhr nach Hause. Als seine Frau von der Arbeit kam, saß er zusammengesunken und verstört auf einem Küchensessel. Sie sprach ihn an, er starrte sie mit zitternden Lippen an, brachte aber kein Wort heraus.
    Als er wieder bei Sinnen war, erzählte er ihr von dieser Erscheinung, dieser Umarmung, diesem Gefühl, in einem Schraubstock gefangen zu sein. Eine absurde, halluzinatorische Geschichte, an die er selbst nicht glaubte. Er kam mit seiner Frau überein, dass überhaupt nichts geschehen wäre. Außerdem nahm er seit einigen Wochen Antibiotika gegen eine hartnäckige Bronchitis.
    „Diese Medikamente machen mich müde.“
    „Nimm frei.“
    Sie gingen eine Woche Skifahren. Am Tag, als der Keller entdeckt wurde, warf sich das Ehepaar einen Blick zu.
    Fritzl wartete, bis der Handwerker weg war, dann stürzte er sich auf Angelika und schlug sie. Er trug den reglosen Körper auf seinem Rücken in den Keller zurück.
    Sie blutete am Kopf, hatte am ganzen Körper Blutergüsse, die erst nach drei Wochen zurückgehen würden. Bewusstlos lag sie auf dem Boden. Das Schlagen der Türen, die sich nacheinander schlossen. Die Taschen mit den Einkäufen hatte Fritzl wieder mitgenommen. Zwei Wochen lang gab es keinen Strom, nur von Zeit zu Zeit fließendes Wasser, damit sie im Keller nicht verdursteten. Manchmal hörte sie ihn herunterkommen, vor die Schleuse treten, dann ging er wieder. Der Rundgang des Kerkermeisters.
    Seitdem – selbst wenn er nur kurz hereinschneite, um eine Tasche mit Lebensmitteln in die Speisekammer zu werfen – vergaß er nie mehr, alle Türen hinter sich zu verschließen.
    Magister Gretel setzte noch eins drauf.
    „Mein Mandant dachte vor allem an den traumatischen Schock, den Angelika erlitten und von dem sie sich lange nicht erholt hat. Bei einem Ausgang ohne Vorbereitung hätte sie den Verstand verloren. Und zudem – überlegen Sie doch, was passiert wäre, wenn die Kinder ihr gefolgt wären! Mitten am Tag wären sie an die frische Luft gekommen, und das Tageslicht hätte schwere Verbrennungen auf der Hornhaut verursacht. Ganz zu schweigen von der Gefahr, dass ein unglücklicher Sonnenstrahl sie geblendet hätte.“
    Fritzl hörte es mit mitleidigem Gesichtsausdruck.
    „Angelika war zu jener Zeit sehr

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