Claw Trilogy 01 - Fenrir
der Wikinger nicht mehr viel wert wäre, wenn er genau erklärte, woher sie kamen und dass sie Heiden waren. Der Abt von Saint-Maurice war der zweite Sohn eines mächtigen, kriegerischen Adligen aus Burgund. Solche Männer traten in den Dienst der Kirche, weil sie nach Macht strebten, und nicht aus Frömmigkeit. Sie waren jederzeit gern bereit, ihre Schwerter einzusetzen. Daher stand fest, welche Antwort die Nordmänner bekommen würden. Jehan wollte sie nicht sterben sehen und in jedem Falle einwenden, man könne sie doch zu Christus hinführen, doch er fürchtete, sein Besuch im Kloster werde für sie kein gutes Ende nehmen.
Die Nordmänner murmelten, aber Ofaeti wusste längst, dass sie keine Wahl hatten, als das zu akzeptieren, was Jehan ihnen gesagt hatte. Doch bevor der Mönch aufbrach, fasste ihn der dicke Krieger am Arm.
»Du bist ein wackerer und tapferer Mann«, sagte er. »Aber ich erinnere dich noch einmal an deinen Schwur. Wir bedrohen niemanden. Wenn sie uns töten wollen, dann werden sie Cäsar sein und wir die Heiligen der thebaischen Legion.« Er versetzte Jehan einen kräftigen Stoß vor die Brust. »Du sollst nicht morden, sagt dein Gott.«
Jehan nickte.
»Noch etwas. Keiner von uns legt sein Haupt für irgendjemanden auf den Richtblock. Wenn deine Brüder kommen, werden wir sie segnen.«
»Sie segnen?«
»Sie wollen doch zu ihrem Gott, oder? Wir werden ihnen den Weg erleichtern.«
Jehan lächelte in sich hinein. »Wir verbringen unser ganzes Leben mit der Vorbereitung auf den Tod«, erklärte er. »Aber ich werde sie um Schutz für euch bitten, wenn ihr euch Christus anschließt.«
»Erst den Schutz, dann sehen wir weiter.«
Jehan rührte sich nicht und blickte dem Wikinger in die Augen.
»Du bist wirklich erstaunlich«, sagte Ofaeti.
»Warum?«
»Du willst mich nicht mit deinem Gott handeln verlassen, also dachte ich, ich versuche es mit Lobpreisungen, wie du es vorgeschlagen hast. Deine Mutter hat einen mächtigen Mann aufgezogen. Ist das nicht Lob genug?«
»Meine Mutter hat mich nicht aufgezogen«, erwiderte der Mönch. »Soweit ich weiß, hat es auch niemand anderer getan.«
36
Rettung
D ie Reiter holten sie am dritten Tag ihrer Flucht am Flussufer ein. Aelis hatte nicht einmal bemerkt, dass ihnen jemand folgte, doch als sie den Wald verließen und auf eine offene Wiese kamen, hörten sie hinter sich die Pferde. Die Wunde des Wolfsmannes schwärte, und sie konnten nicht mehr weglaufen. Am Ufer lagen keine Boote, die Flucht war unmöglich.
Sindre hatte immer größere Schwierigkeiten beim Reiten gehabt, und schließlich hatte Aelis sein Pferd am Zügel geführt. Die Wunde nässte, das Blut drang durch das Hemd und färbte die Finger der Hand, die er sich in die Seite presste. Jeden Abend tat er sich im Wald um und kehrte mit einem Streifen Rinde zurück, auf den er ein Symbol ritzte. Er starrte es an, bis der Schlaf ihn übermannte, und am nächsten Tag hielt er es beim Reiten in der Hand, während er murmelte:
»Sehr starke Stäbe, sehr mächtige Stäbe.
Sie ritzte der hehrste der Herrscher.
Odin den Asen,
Dwalin den Zwergen,
Alswidr aber den Riesen und Menschen;
Einige schnitt ich selbst.«
Während sie sich dem Fluss näherten, erbleichte er zusehends. Er war dem Tode nahe. Als hinter ihnen die Rufe der Reiter ertönten, hob Sindre nicht einmal den Kopf. Schließlich tat er es doch, wenngleich er dabei zitterte und mit den Zähnen klapperte. Er konnte sich kaum noch auf dem Pferd halten, an Kampf war nicht zu denken.
Es waren zwanzig Reiter, zwei von ihnen führten Speere. Aelis hatte keine Angst. Die Art, wie sie ritten, verriet ihr alles, was sie wissen musste. Die Reiter kamen voller Selbstvertrauen und hielten die Waffen gelassen. Mit kaum merklichen Bewegungen lenkten sie die Pferde.
»Nordmänner, wir werden es euch zeigen, ihr Schweine!«
Der Reiter sprach Romanisch mit dem Pariser Akzent, ein wenig schrill und durch die Nase, ohne die Kehllaute der Menschen, unter denen Aelis aufgewachsen war.
Sie antwortete in der gleichen Sprache. »Ich bin die Edelfrau Aelis, die Schwester des Grafen Odo, und werde von Nordmännern und Ungeheuern verfolgt. Steigt ab und beugt vor mir die Knie.«
Der Anführer der Reiter ließ den Speer sinken und lenkte sein Pferd neben sie. Er betrachtete ihre Rüstung, deren Helm auf dem Sattelknauf ruhte, und das Schwert an ihrer Seite. Dann berührte er sie am Kopf.
»Wo sind deine Haare?«
»Nehmt die Hände weg. Wenn mein
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