Claw Trilogy 01 - Fenrir
nicht«, sagte Ofaeti. »Nicht für uns. Du wandelst nach dem Tod in den Hallen des Allvaters und nimmst an ewigen Festen und Schlachten teil. Der Tod ist nichts weiter als eine Reise in ein anderes Land, wie es viele aus unserem Volk sowieso schon tun.«
»In Schmerzen und an ein Kreuz genagelt?«
»Das ist ein seltsamer Tod für einen Zimmermann«, sagte Ofaeti.
»König Nesbjörn hat einmal einen schlampigen Bootsbauer gekreuzigt. Er sagte, er werde ihm schon beibringen, wie man Nägel einschlägt«, erklärte Egil. »Vielleicht war das so ähnlich.«
Jehan schluckte seinen Zorn hinunter. »Der Sohn Gottes wusste um sein Schicksal und nahm es willig auf sich, damit uns die Sünden vergeben werden.«
»Um ehrlich zu sein«, meinte Ofaeti, »ich hatte einige Onkel, die genau wussten, dass schon die Walküren über ihnen schwebten. Ein paar Inselleute haben Heggr und seine Leute im Westen geschnappt. Sie hätten sich ergeben und auf das Lösegeld warten können, aber dann nannte ihn ein Mann einen Feigling – das einzige norwegische Wort, das der Drecksack kannte – , und sie haben ihm bewiesen, dass sie nicht feige waren. Zwei von zehn haben es überlebt, aber in jener Gegend hat uns nie wieder jemand Feiglinge genannt, also war es die Sache wert. Dieser Jesus war zweifellos ein tapferer Mann, aber die Welt ist voller tapferer Männer. Oder vielmehr die nächste Welt.«
»Wenn du niedergetrampelt wirst und ganz unten bist, wenn alle deine Gefährten dich verlassen haben, richtet dich mein Gott wieder auf und geht neben dir. Tut das deiner auch?«
»Tyr mag mächtige Krieger. Feiglinge überlässt er sich selbst«, entgegnete Ofaeti.
Jehan wandte sich an den dicken Wikinger und fasste ihn bei den Schultern. »Bin ich ein Feigling?«
Ofaeti erwiderte den Blick. »Ich glaube, das bist du nicht«, sagte er.
»Kein Christ ist feige. Ich will dir die Geschichte dieses Ortes erzählen. Weißt du, wer der schwarze Heilige war?«
»Nein.«
»Ein Heiliger ist jemand, der nie von Gottes Weg abschweift. Er wird der schwarze Heilige genannt, weil er eine dunkle Haut hatte.«
»Schwarze Haut!«, rief Egil. »Dann war er ein Zwerg?«
»Er gehörte der Thebaischen Legion der Römer an und war ein Nachkomme der alten Pharaonen.«
»Die Leute in jenem Land sind blau«, sagte Ofaeti. »Das weiß ich ganz sicher.«
»Einer nennt sie blau, der andere schwarz«, erwiderte Jehan. »Die Thebaische Legion bestand ausnahmslos aus Christen und zählte sechstausendsechshundertsechsundsechzig Köpfe.«
»Das war aber ein großes Heer«, meinte Ofaeti.
»Kommt ganz auf die Krieger an«, gab Egil zu bedenken.
Jehan fuhr fort: »Sie dienten dem Heidenkönig Maximianus Caesar, der ihnen den Befehl gab, zur Erbauung seines Gottes Merkur einige christliche Familien zu töten, die dort unten lebten. Die Legion weigerte sich.«
»Es war falsch, sich zu weigern, wenn sie dem König die Treue geschworen hatten«, sagte Ofaeti.
»Noch stärker fühlten sie sich ihrem Gott verbunden«, erwiderte Jehan. »Als Caesar von ihrer Weigerung erfuhr, befahl er, ein Zehntel der Krieger zu töten.«
»Wie viele sind ein Zehntel?«, fragte Astarth.
»Ziemlich viele.«
»Mehr als ein Dutzend?«, fragte Ofaeti.
»Es waren sechshundertsechsundsechzig«, erklärte Jehan.
»Und die Kameraden standen dabei und sahen zu, wie so viele niedergemacht wurden?«
»Sie waren bereit, als Märtyrer zu enden.«
»Was heißt das?«, fragte Egil. »Dein Latein verstehe ich nicht, Priester.«
»Es bedeutet, sie ergriffen die Gelegenheit, für ihren Gott zu sterben.«
»Sie wären besser dran gewesen, wenn sie für ihn getötet hätten. Es müsste schon ein sehr mächtiger König sein, der einfach kommen und so viele aus Rollos Heer niedermachen könnte«, sagte Egil.
»Als das erste Zehntel tot war, erneuerte der Imperator den Befehl. Sie weigerten sich abermals. Er tötete wiederum sechshundertsechsundsechzig Männer, und so ging es weiter, bis nur noch sechs übrig waren. Auch diese tötete er, und so war die ganze Legion ausgelöscht.«
»Wäre es nicht besser gewesen, sie hätten diese Familien für ihren Gott verteidigt? Der römische Imperator konnte doch jederzeit seinen anderen Soldaten befehlen, sie niederzumachen«, wandte Ofaeti ein.
Jehan ignorierte die Frage, um auf den wesentlichen Punkt zu sprechen zu kommen. »Sechstausend, sechshundert und sechsundsechzig Männer standen hier und starben. Die Knochen ruhen möglicherweise direkt unter
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