Claw Trilogy 01 - Fenrir
Blut, Kot oder Urin, waren im Sterben aus den Körpern gelaufen und hatten den Teich in eine stinkende Brühe verwandelt. Die Mönche waren zweifellos ermordet worden – manche mit dem Schwert, andere mit Schlingen, die zu drei ineinander verschränkten Knoten gebunden waren.
Der Rabe stellte die Kerze am Rand des Teichs ab. »Es tut mir leid«, sagte er. »Dieser Schrecken ist … notwendig.«
»Unreines Ding«, stieß Jehan hervor. »Abscheulichkeit, Hexer … « Das Seil schnitt tief ein und würgte ihn. »Ich fürchte dich nicht.«
Der Rabe lächelte ihn an, doch in den Augen lag kein Fünkchen Humor.
»Der Gott will nicht deine Angst. Er will die meine. Diese … « Er suchte nach einem Wort und fand keines, also benutzte er das Wort des Beichtvaters. »Diese Abscheulichkeiten entsprechen nicht meinen Neigungen. Verwechsle mich nicht mit den Römern, die sich mit Folterungen besonders hervorgetan haben.«
Jehan wollte antworten, konnte aber nur husten.
Der Rabe fuhr fort: »Wir werden beide bekommen, was wir wollen, Mönch. Wenn sie dich finden, werden sie die schönste Kunst aufwenden, um die Erinnerung an diesen Märtyrertod zu bewahren. Ich bin sicher, dass die Pilger dein Abbild auf Medaillons tragen werden.«
»Ich … «
Jehan konnte nicht sprechen.
Der Rabe setzte sich an den Rand des Beckens und wiegte sich hin und her. Er stimmte einen Singsang an, der ganz anders als das Kirchenlied der Mönche klang. Dies war ein leises, kehliges Lied mit unruhigem, stockendem Versmaß, es eilte dahin und hielt inne, während die norwegischen Worte ungestüm zum Vorschein kamen.
»Fenrisulfr,
Gebunden und gefesselt,
Wolf, heißhungrig und gequält,
Großer Fresser,
Des Gottes Tod und Geißel,
Ich will leiden, wie du leidest.
Für meine Qualen
Einsicht,
Für meine Schrecken
Eine Vision … «
Der Gesang ging immer weiter und verwob sich mit dem Kirchenlied. Der Mönch zu seiner Rechten konnte nicht mehr, worauf der andere die Melodie aufnahm. Seit vierhundert Jahren sangen sie an diesem Ort Tag für Tag die Psalmen. Wozu? , fragte sich Jehan. Um diesen Schrecken in Schach zu halten. Hatte diese Grässlichkeit so lange Entbehrungen gelitten, weil die Mönche so wachsam gewesen waren?
Die Kälte betäubte ihn, und die Gesänge schienen seinen Kopf in eine reife Feige zu verwandeln, die gleich bersten wollte. Weißt du, was sie mir angetan haben? Weißt du, was sie getan haben? Die Stimme, die er in seinem Innern hörte, war voller Wut und Hass. Er befand sich an einem anderen Ort. Oder vielmehr, es war derselbe Ort, aber er hatte sich verändert. Das Wasserbecken war verschwunden, der Raum war trocken. Staubtrocken sogar. Es stach in der Nase, die Zunge schien wie in Sand gebacken. Rechts wand sich eine große Schlange um die Säule. Sie war golden, rot und grün, vom Kiefer tropfte das Gift. Sie reckte sich über seinen Kopf hinweg und ringelte sich um die Säule, an die er gefesselt war. Links von ihm kroch sie an der letzten Säule wieder herunter. Dort entdeckte er nun etwas ganz Außergewöhnliches.
Dort hing ein großer, hellhäutiger Mann, der gefesselt war wie er selbst. Er hatte feuerrote Haare und kreischte, als die Schlange ihm ihr Gift in die Augen träufelte. Seine Haut war gerötet, wo das Gift sie verbrannt hatte, auch die Haare waren stellenweise versengt. Die Augen waren dunkel wie das Fleisch der Leber, die Lippen schwarz und vernarbt. Ein stechender Dampf stieg von der Haut auf, wenn das Gift herabtropfte und sie verbrannte.
»Kannst du mich nicht befreien, mein Sohn?«, flehte die Stimme. Es klang halb nach einem Schluchzen und halb nach einem Schrei.
»Ich bin selbst gefesselt.« Auf einmal konnte Jehan wieder klar denken.
»Sie haben dich wie mich gebunden, die Götter der Dunkelheit und des Mordens.«
»Wie können wir da herauskommen?«
»Wir kommen heraus, es ist vorherbestimmt.«
»Wo ist der Rabe? Wo ist dieses Wesen?«, rief Jehan.
»Fort.«
»Er verdient den Tod.«
»Er ist der Diener des Todes, er dient dem Gott mit der Schlinge.«
Zum ersten Mal in seinem ganzen Leben bekam Jehan es mit der Angst. Dieses Wesen vor ihm litt grässliche Qualen und hatte doch eine Ausstrahlung, welche die Luft in der Umgebung bleischwer machte. Ein schrecklicher Gedanke kam ihm: Dies ist die Hölle . Sein Stolz hatte ihm den Garaus gemacht, und nun war er im Meer des Feuers gestrandet. »Du bist der Teufel«, sagte er, »und dies ist die Hölle.«
»Die Hölle fürchtet dich,
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