Claw Trilogy 01 - Fenrir
sprechen und ihm etwas zu sagen, das schlimmer war als jede Folter, jedes Gebrechen und jede Pein. Gott hatte ihn verlassen. Aber nein, er durfte nicht glauben, dass dem so war. Es war das Werk eines Teufels. Die Hölle hatte ihm einen Wurm in den Kopf gepflanzt.
Er speiste mich mit bitterer Kost und tränkte mich mit Wermut.
Meine Zähne ließ er auf Kiesel beißen, er drückte mich in den Staub.
Du hast mich aus dem Frieden hinausgestoßen;
Ich habe vergessen, was Glück ist.
Ich sprach: Dahin ist mein Glanz und mein Vertrauen auf den Herrn.
Jehan schrie auf, eher innerlich als mit seiner Stimme. Nein! Nein! Nein! Mein Anteil ist der Herr, sagt meine Seele, darum harre ich auf ihn. Gut ist der Herr zu dem, der auf ihn hofft, zur Seele, die ihn sucht. Die Worte waren wie eine erhabene, schöne Musik, getragen von dem Rhythmus einer dunklen Poesie.
Viel erfuhr ich, viel versucht ich,
Befrug der Wesen viel;
Was wird Odins Ende werden,
Wenn die Götter vergehen?
Diesen Vers hatte er noch nie gehört und kannte doch die Antwort. Sie lag ihm auf den Lippen.
Saerda zog das Messer und sprang erneut auf die Brust des Beichtvaters, um ihn festzuhalten. Von der Seite drückte er ihm die Spitze der Klinge gegen die Wange.
»Halt den Mund. Du wirst ihn essen, oder du wirst dich selbst essen. Ich schneide dich auf und stopfe dir den eigenen Leib in die Kehle.«
Jehan sah sich selbst mit Aderpressen gefesselt am Fels, etwas Spitzes und Starkes hielt seinen Mund offen. Nun wusste er, wer dem Heidengott den Tod bringen würde.
Der Wolf ist Odins Untergang,
Wenn die Götter zur Vernichtung reiten.
Jehan hob die Hände und fand Saerdas Kopf. Vor dem inneren Auge sah er die Höhle, wo ihm die dünnen Fesseln in die Haut schnitten und ihn an den riesigen Felsblock banden. Der Wolf, der Wolf würde dem Gott den Tod bringen. Allein dafür existierte er, das war sein ganzes Bestreben. Auf einmal verspürte der Mönch eine tiefe Erleichterung und Befreiung. Er war der Wolf.
»Die Fesseln sind gesprengt«, sagte er und brach dem Wikinger das Genick.
22
Hilflos
A ls Leshii am Morgen zu sich kam, war er allein. Der Rabe war wohl geradewegs an ihm vorbeigelaufen.
Er dachte an die Edelfrau. Zuerst hatte er Mühe, sich zu orientieren und herauszufinden, in welche Richtung sie geflohen war. Schließlich wies ihm ein Keuchen den Weg. Er wollte gerade zu ihr, als ihn das Schimmern von Stahl aufhielt. Es war der Rabe, diese nackte und leichenblasse Gestalt, der in der grauen Morgendämmerung am Ufer hockte.
Leshii hätte sich gern näher herangeschlichen, konnte seine Beine jedoch nicht dazu überreden, ihm zu gehorchen. Die Furcht lähmte ihn und hielt ihn fest, wo er war. Vor diesem entsetzlichen Mann hatte er große Angst.
Zum ersten Mal seit seiner Begegnung mit den Berserkern dachte er wieder an Chakhlyk. Wo war der Wolfsmann? Sicherlich tot, daran bestand kein Zweifel.
Er dachte auch an den dürren Berserker. Wo war er abgeblieben? Dann kreisten seine Gedanken wieder um das Übliche – Profit. Die Berserker, die seinen Wein getrunken hatten, waren dem König im Lager nicht bis in den Tod verpflichtet. Sie sprachen kein Latein und konnten nicht mit Mönchen verhandeln. Für ihn gab es nur einen Weg, der ihm freilich überhaupt nicht behagte. Er musste sich mit diesen Männern verbünden. Unschlüssig drehte er den Armreif in der Hand hin und her. Wenigstens besaß er etwas Wertvolles. Das war für ihn so wichtig wie die Waffe für einen Krieger. Jetzt konnte er wieder kaufen und verkaufen, er konnte Handel treiben und war wieder der Alte.
Zunächst überlegte er sich, wo er stand und wie seine Abmachung mit dem Schicksal aussehen sollte. Als Minimum würde er sicheres Geleit bis nach Hause verlangen. Helgi tötete ihn vielleicht, wenn er mit leeren Händen zurückkehrte, doch sein Auftrag hatte lediglich gelautet, den Wolfsmann nach Paris zu führen. Natürlich wäre es viel angenehmer, mit der Edelfrau zurückzukehren, denn man konnte nie wissen, wie der König reagierte. Es war viel besser, ihn so gewogen zu stimmen, dass er Leshii belohnte. Im günstigsten Fall konnte Leshii den Mönch und die Edelfrau verschachern. Die Edelfrau würde sowieso sterben, das konnte er nicht verhindern. Also musste er die Berserker suchen, als Leibwächter anheuern und den Mönch oder wenigstens seine Gebeine finden. Er konnte den Kriegern versprechen, sie zu entlohnen, sobald er selbst für den Mönch entlohnt wurde. Für den Mönch,
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