Claw Trilogy 01 - Fenrir
wieder nach seinem Schwert, und der Wolfsmann sprang los, um ihn daran zu hindern. Einen Moment lang verharrten sie schwankend am Flussufer. Dann stieß das große Pferd die Männer ins Wasser. Endlich verstand Aelis das Geräusch. Es war kein Wasser, kein Blut, nicht der Wind und keine Trommeln. Es waren Hufe.
Leshii kam herbeigerannt. Der Rabe war nirgends zu entdecken, der Wolfsmann hielt sich noch mit einer Hand an einem Ast des Baumes fest, der Aelis gerettet hatte. Seine Kräfte schwanden rasch, nach dem Zusammenprall mit dem Pferd hatte er fast das Bewusstsein verloren, und er stöhnte gequält. Leshii hatte ihn noch nie auf irgendeine Weise klagen hören. Der Wolfsmann hing zwanzig Schritte weit draußen in der reißenden Strömung. Leshii war alt, er konnte ihn nicht retten. Doch er musste. Es war kein Heldentum und kein Mitgefühl, das ihn antrieb, sondern wie immer eine ganz praktische Erwägung. Er brauchte einen Beschützer und jemanden, der ihm half, seinen Auftrag zu Ende zu bringen. Chakhlyk war seine einzige Hoffnung.
»Ich komme schon, trockener Mann, ich komme.«
Das Pferd des Königs hatte sich neben Aelis hingekauert und drängte sich an sie, um sie zu wärmen. Auch die anderen Tiere, Saerdas Pferd und das Maultier, näherten sich. Leshii erkannte sofort, was zu tun war. Das Maultier war ein Packtier und ließ sich nicht gern reiten, aber er konnte es führen. Er nahm den Strick und watete ins rauschende Wasser. Dabei hielt er sich schräg zur Strömung, um nicht mitgerissen zu werden. Es gab kein Tier auf Erden, das sicherer auf dem Boden stand als ein Maultier. Langsam, aber zuversichtlich stieg es ebenfalls ins Wasser.
Nach etwa zehn Schritten war die Strömung zu stark. Leshii legte sich auf den Rücken des Maultiers und trieb es mit einem Schlag auf den Rumpf an. Das Wasser bedeckte gerade die Beine des Tiers, als sie den Wolfsmann erreichten, doch die Strömung war so stark, dass der Händler nicht ohne Hilfe allein stehen konnte. Er wollte sich an das Maultier lehnen, um einen Halt zu finden. Sobald er sich ins Wasser sinken ließ, bemerkte er jedoch, dass er falschen Hoffnungen erlegen war. Die Strömung riss ihm die Füße weg, weil das Maultier befreit zum Ufer zurücksprang. Leshii rutschte aus, griff instinktiv nach dem Wolfsmann und zog ihn dabei vom Ast weg. Das Wasser nahm sie beide rückwärts mit. Zum Glück bekam Leshii einen Fuß auf den Grund und konnte sich selbst und den Wolfsmann mit einem mächtigen Stoß in Richtung Ufer bugsieren.
Die Strömung zerrte an ihnen und drehte sie, und schließlich erfasste sie die beiden und schwemmte sie abermals mit. Ein paar Augenblicke lang trieben sie hilflos dahin, dann bekam Leshii einen heftigen Stoß in die Seite und spürte festen Boden unter den Füßen und Gras unter der Hand. Fünfzig Schritte vom Baum entfernt hatte ihn die Strömung gegen das Ufer getrieben, wo der Fluss sich in einer Biegung verengte. Er und der Wolfsmann lebten noch! Am fernen Ufer hörte er einen Laut, der zwischen einem Krächzen und einem Schrei lag. Er spähte über das schimmernde Wasser. Da drüben zog sich eine nackte Gestalt, die sich etwas auf den Rücken gebunden hatte, aufs Trockene.
Leshii hustete, stand auf und musste beinahe lachen.
»Also, der wird so schnell nicht herüberkommen. Chakhlyk, mein trockener Mann, du bist ziemlich nass geworden.«
Der Wolfsmann drückte sich mit blutenden Händen hoch. Jetzt sah Leshii auch die Wunde in seiner Seite. Direkt unter der untersten Rippe ragte, so lang wie ein Daumen, ein abgebrochener Pfeilschaft heraus. Kein Wunder, dass die Leute sich vor ihm fürchten, dachte Leshii. Trotz des Pfeils im Leib hatte er gegen den Raben gekämpft. Doch der Wolfsmann war offenbar dem Tode geweiht.
»Er ruft seine Schwester«, erklärte der Wolfsmann. »Wir müssen sofort gehen. Er hat die Edelfrau gesehen, sie schwebt in großer Gefahr.«
Zwischen den Bäumen waren Rufe zu hören. Dort waren viele Männer unterwegs.
»Keine Zeit«, drängte der Wolfsmann. »Komm jetzt.«
Aelis hockte noch zitternd an Ort und Stelle und wartete darauf, dass das Blut in ihre Gliedmaßen zurückkehrte. »Was ist mit dem Beichtvater und dem Mönch?«
»Mörder! Königsmörder! Sie haben seine Kleider, sie haben ihm die Kleider gestohlen!«
Fünfzig Schritte entfernt war ein Wikinger, noch ein Knabe, gerade eben zwischen den Bäumen zu erkennen.
»Geht«, sagte der Wolfsmann. »Ich finde euch. Händler, steig auf das Tier und
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