Claw Trilogy 01 - Fenrir
er. »Lass uns gehen, ehe Rollos Männer den Mut finden, die Furt zu durchqueren. Ich danke dir für das, was du für mich getan hast.«
»Danke nicht mir, sondern Gott. Niemand wird gerettet oder verloren, wenn er es nicht will.«
Ofaeti nickte.
»Willst du mit mir beten?«, fragte Jehan.
Ofaeti lachte humorlos. »Wenn wir vor unseren Feinden sicher sind, bete ich gern mit dir, falls du es dann noch willst. Wenn dein Gott mich gerettet hat, dann wird mein Herr Tyr mir nicht grollen, wenn ich ihm danke.«
Der Beichtvater lächelte. Hatte Gott deshalb seine Gliedmaßen befreit? Damit er die Heiden bekehren konnte? So musste es sein. Anfangs war er davon ausgegangen, dass keiner der Berserker Saint-Maurice jemals wieder lebend verlassen würde. Jetzt sah er die Sache anders. Diese Männer wären prächtige Soldaten für die Sache Christi. Sie mussten sich zu Jesus bekennen und ihre Herzen der göttlichen Kraft öffnen. Das würde ihnen die heidnischen Lügen, mit denen sie aufgewachsen waren, schon austreiben. Ofaetis Götze Tyr sollte bald als das bloßgestellt werden, was er war: kaum mehr als ein Schemen in einer Geschichte, die jedes Kind durchschauen konnte.
»Dann komm«, sagte Jehan. »Bleibe dicht hinter mir, wenn du nicht gut sehen kannst.«
Die beiden Männer kletterten die Böschung hinauf und eilten zu den Bäumen.
33
Ein Geschenk verlangt das nächste
V or all den Jahren hatte der Heiler in Ladoga auf dem Dach gesessen und das betrachtet, was er mit Fug und Recht als die letzte Abenddämmerung seines Lebens bezeichnen durfte, die den Fluss in ein rotes Band aus Flammen verwandelte, in die Straße, die zur Hölle führte. Er war Bulgare und ein fröhlicher kleiner und dunkelhaariger Mann, dessen helle gelbe Seidengewänder das blasse Gesicht nur noch bleicher erscheinen ließen. Helgi war zu seinen Kriegern hinabgestiegen, der Heiler blieb mit dem kleinen Mädchen allein auf dem Dach.
Er schüttelte den Kopf und dachte an die Warnung, die ihm sein Vater mit auf den Weg gegeben hatte: »Du besitzt eine Gabe, die du nur sparsam einsetzen darfst. Heile zu viele, und die Götter werden eifersüchtig.«
Natürlich hatte er nicht auf den Vater gehört und bis nach Kiew hin weit und breit seine Kunst ausgeübt. Unterwegs hatte er Talismane und Tränke verkauft, doch ihm war klar, dass diese Mittel, deren Herstellung sein Vater ihn gelehrt hatte, nur in begrenztem Umfang halfen. Das wahre Geheimnis seines Erfolges war die Tatsache, dass er in den ersten Jahren nur gegen geringen oder gar keinen Lohn gearbeitet und höchstens, wenn es nötig gewesen war, eine Mahlzeit in Anspruch genommen hatte. Als Gegenleistung hatte er lediglich verlangt, dass die Menschen, die er geheilt hatte, seine Taten rühmten.
Es hatte funktioniert. Die Geheilten sangen sein Loblied, und die Toten konnten sich nicht mehr beklagen. Im dritten Jahr war er im ganzen bekannten Osten ein gefragter Mann. Schließlich hatte er gehört, dass Helgi einen neuen Leibarzt suchte. Wie ein Narr hatte er sich gefreut, als der König ihn auserwählt hatte. Dabei war ihm nicht klar gewesen, dass ein Heiler ebenso auf sein Glück und seinen Ruf wie auf seine Fähigkeiten angewiesen ist.
Nun lag das kranke Mädchen neben ihm, und er wusste nicht mehr ein und aus. Sie war so heiß, dass sie fast das Dach in Brand setzen konnte. Natürlich drohte auch ihm selbst der Flammentod, falls er sie nicht heilte. Er dachte daran, sich vom Dach zu stürzen, um sich diese Qualen zu ersparen. Seine letzte Hoffnung war es gewesen, sie heraufzubringen, damit Tengris Augen am ewigen Himmel sie erblickten konnten, doch auch dies versprach keinen Erfolg.
Dann erinnerte er sich an einen Zauber, den er von einem Fremden auf dem Weg nach Kiew gelernt hatte. Er war mit einer Gruppe von Khasaren nach Westen gereist. Nachts ließen sie ständig ein Feuer brennen, weil es Gerüchte gab, ein Wolf lauere Reisenden an der Straße auf. Der Heiler mochte die Raubtiere nicht und konnte kaum schlafen. Natürlich gab es überall Wölfe – er hörte ihr Heulen in den Hügeln – , aber zu erfahren, dass einer in der Nähe war und ein Lager überfallen habe, um eine Ziege zu reißen, wobei er auch leicht ein Kind hätte töten können, das beunruhigte ihn doch sehr.
Schließlich, in der finstersten Nacht, als die Wolken den Mond gefressen hatten und das einzige Licht vom Lagerfeuer kam, übermannte ihn der Schlaf, und er sackte aus dem Sitzen zur Seite weg. Ein leises Knurren
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