Cleo
einklemmen und hinters Haus huschen.
»Da sind wir wieder, Cleo«, rief Lydia.
Mit einem freudigen Miauen sprang die Katze auf uns zu. Wir ließen unsere Koffer fallen und liefen ihr entgegen. Alle drängelten darum, das schnurrende Bündel zu halten und abzuküssen. Sie erkannte jeden von uns wieder, obwohl Rob und Lydia im Lauf des letzten Jahres beide in die Höhe geschossen waren.
Aber kaum waren wir im Haus, zeigte sie uns die kalte Schulter. Cleo beschloss, dass wir für unsere lange Abwesenheit bestraft werden mussten. Sie wollte hinausgelassen werden und zog sich für mehrere Stunden auf den Dachfirst zurück. Nachdem wir unsere Koffer ausgepackt hatten, lockte ich sie mit einer Schüssel ihres früheren Leibgerichts herunter – Grillhähnchen. Als sie die Hälfte gefressen hatte, sah sie zu mir hoch und zwinkerte, so als wollte sie sagen: So, so, mal wieder schwanger. Könnt ihr Menschen euch eigentlich nicht zusammenreißen? Na gut. Ich schätze mal, ich werde es noch ein paar Jahre aushalten, mich in Strampelanzüge stecken und in einem Puppenwagen herumkutschieren zu lassen.
Gleich zu Beginn der Schwangerschaft ging ich zu einem Spezialisten und bat ihn, er möge mich bei der Geburt meines vierten Kindes vom Hals abwärts anästhesieren. Er willigte ein. Mit meinen achtunddreißig Jahren bekam ich sogar einen medizinischen Ehrentitel – relativ alte Multigravida (jede aufstrebende Rockband auf der Suche nach einem Namen ist herzlich eingeladen, ihn zu übernehmen). Um das ohnehin bestehende Gefühl zu verstärken, dass ich allen Grund zur Sorge habe, zeigte er mir ein Diagramm über dieZunahme von Geburtsfehlern bei Kindern, deren Mütter auf die vierzig zugehen. Als ich seine Praxis verließ, fühlte ich mich plötzlich uralt. Krank und uralt. Seinem Rat folgend unterzog ich mich einer Reihe von Tests, von denen einer zu besorgniserregenden Kontraktionen führte. Die Tests ergaben, dass das Kind gesund war. Und ein Mädchen.
Eines Nachmittags lag ich mit Cleo auf dem Bauch auf dem Sofa und rief Ginny in Wellington an. Statt sich über meinen Traum von einer neonbeleuchteten, stahlblitzenden Hightech-Geburt zu mokieren, gab sie mir die Adresse einer Hebamme namens Jilleen.
In dem Moment, als ich Jilleen die Tür öffnete, schlug das Baby einen Purzelbaum in meinem Bauch. Noch nie hatte ich einen Menschen mit freundlicheren Augen gesehen. Sie hatte ihre kleinen Hände feinsäuberlich vor dem Bauch gefaltet. Ich wusste sofort, das war die Frau, die unser Kind auf die Welt holen würde.
Eine Wolke legte sich über den Mond. Schubert erfüllte das Zimmer mit sanften Klängen. Das Kaminfeuer zauberte flackernde Schatten von Philip, Cleo und Jilleen an die Wand. Die Zeit dehnte sich in alle Richtungen. Wir begegneten jedem Zusammenziehen der Muskeln mit demselben Respekt und derselben Konzentration wie ein Surfer einer Riesenwelle. Als die Wehen ihren Höhepunkt erreichten, zeigte Jilleen Philip, wie er den Schmerz in meinem Bauch mit sanften kreisförmigen Bewegungen wegstreicheln konnte. Mit knallrotem Kopf und sehr verärgert drängte sich Katharine um zwei Uhr morgens im Zimmer ihres großen Bruders auf die Welt. Unsere Helfer (zu denen auch Anne Marie und ein Arzt aus der Nachbarschaft gehörten) strahlten so zufrieden wie Leute, die gerade mit einem an ihren Knöchelnfestgebundenen Gummiband von einer Brücke gehüpft waren. Rob hatte Glück und verbrachte diese Nacht bei seinem Vater. Wir beschlossen, unserem sechzehnjährigen Sohn nicht zu sagen, wo genau das Baby zur Welt gekommen war, sonst würde er womöglich niemals mehr in seinem Zimmer schlafen wollen. Unser Plan ging allerdings schief, weil er eine Akupunkturnadel auf seinem Bett entdeckte und uns zur Rede stellte. Erstaunlicherweise regte er sich kein bisschen darüber auf, dass sein Zimmer als Kreißsaal hatte herhalten müssen. Im Gegenteil, er schien sogar fast ein bisschen stolz darauf zu sein.
Es heißt, die Zeit heilt alle Wunden. Oberflächlich betrachtet war unser Leben eigentlich auch rundum gut. Ich fürchtete mich nicht mehr vor den Elternabenden in Robs Schule. Er hatte viel dazugelernt. Der Ton der Lehrer hatte sich geändert. Sie redeten nicht mehr von Lernschwierigkeiten, sondern von beruflichen Möglichkeiten im medizinischen oder technischen Bereich. Tatsächlich hatte er so gute Abschlussnoten, dass er ein Stipendium bekam, mit dem er sich sein Ingenieursstudium an der Universität finanzieren konnte.
Ich war
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