Cleo
geschaffen.
Besonderen Gefallen fand Cleo allerdings an der Fähigkeit der Terrassentüren, Sonnenstrahlen zu bündeln. Gähnend streckte sie sich quer über den Flur aus und ließ sich die Sonne auf ihr schimmerndes blauschwarzes Fell brennen. Sie kniff die Augen zu durchsichtigen Schlitzen zusammen, während wir Kisten und Koffer durch die Tür schleppten und aufpassen mussten, nicht über unsere ägyptische Prinzessin zu stolpern. Mit ziemlicher Sicherheit hatten ihre Vorfahren beim Bau der Pyramiden Ähnliches erlebt beziehungsweise verschlafen.
Rosie hatte uns angewiesen, Cleo zwei Tage im Haus zu behalten, falls sie in Panik geraten sollte und nach Wellington zurückzulaufen versuchte. Wie sie sich da faul in ihrem persönlichen Sonnenstudio aalte, machte unsere Katze nun nicht gerade den Eindruck, sich davonmachen zu wollen. Ihre der Hitze im alten Ägypten angepassten Gene mussten begeistert sein vom subtropischen Klima Aucklands.
Ich war guter Dinge, dass wir anderen Cleos Beispiel folgen und uns schnell in der neuen Umgebung einleben würden, aber die Hoffnung auf einen Neuanfang für unsere Ehe zerschlug sich. Da Steve jetzt nach Wellington pendeln musste, hatten wir noch weniger gemeinsame Zeit als vorher. Wir hatten den Versuch aufgegeben, die Kluft zwischen uns zu überbrücken, und angefangen, uns jeweils eigene Freunde zu suchen. Er fand meine neuen Freunde unangenehm laut, während mir seine Freunde viel zu introvertiert waren. Er kampierte auf dem Sofa im Wintergarten. Wir redeten uns ein, dass wir um der Kinder willen zusammenbleiben könnten, nur eben ohne Sex.
Rob war auf seiner alten Schule zwar beliebt gewesen, aber mit den strengen Unterrichtsmethoden dort war er nicht besonders gut zurechtgekommen. Ich hatte irgendwann angefangen mich vor den Elternabenden zu fürchten, wo ich mir regelmäßig erklären lassen musste, dass Rob zwar intelligent sei, sich aber mehr anstrengen müsse. Da ich selbst den größten Teil meiner Schulzeit damit verbracht hatte, aus dem Fenster zu starren und die Sonnenflecken auf den Bäumen in der Ferne zu betrachten (und einmal zwei Hunde, die etwas taten, was ich bislang nur von einer Zeichnung in einem Buch über die Entwicklung des Teenagers kannte, das mir meine Mutter auf mein Kopfkissen gelegt hatte), konnte ich Rob voll und ganz verstehen. Der einzige Unterschied zwischen Rob und mir bestand darin, dass er sich bemühte. Dass ihm seine herkulischen Anstrengungen im Lesen und Rechnen bestenfalls mittelmäßige Noten einbrachten, frustrierte ihn daher natürlich. Seine Lehrer hatten zwar selbst vor nicht allzu langer Zeit ihre Milchzähne verloren, aber sie hatten Macht und wussten (wie die meisten Diktatoren und Kinder), dass sie im Recht waren. Ich hatte keine Lust mehr, mir anzuhören, dass Rob »Probleme« habe, von denen ein toter Bruder und die unglückliche Ehe der Eltern nicht eben die geringsten waren. Sie hatten keinen Sinn für seine unkonventionellen Methoden der Wissensaneignung und waren zu faul oder zu einfallslos, neue Wege zu beschreiten.
Durch unseren Umzug nach Auckland erhielt er Gelegenheit, auf eine weniger strenge Schule zu gehen, auch wenn ich nicht erwartet hätte, dass sie so wenig streng sein würde. Jede freie Fläche innen wie außen war von den Kindern mit Bildern in knalligen Farben bemalt worden. Die Geräte auf dem Spielplatz (Betonröhren und riesige Kabelspulen aus Holz) sahen aus wie Überbleibsel von Straßenbauarbeiten.Mrs. Roberts, seine neue Lehrerin, hatte eine rote Mähne und aquamarinblaue Augen, die außerirdisch glitzerten. Während sie sich ihren seidenen Batikschal um die Schultern legte, erwähnte sie beiläufig Robs wunderbare Aura.
»Sie ist eine Alternative«, erklärte ich Rob, als wir auf dem Weg zum Auto durch eine riesige Röhre stolperten. »Wie alles hier.«
»Was bedeutet das?«
»Das bedeutet, dass sie von dir nicht erwarten, dass du furchtbar fleißig bist. Wenn du nicht in den Töpferkurs willst, kannst du dir etwas anderes suchen wie Tanzen oder Theater. Niemand hier kannte Sam. Du musst nicht mehr der Junge sein, dessen Bruder gestorben ist. Du darfst ganz du selbst sein.«
Es war mir damals noch nicht in den Sinn gekommen, dass Tanzen, Theater und Töpfern vielleicht nicht unbedingt zu einem Jungen passten, der so viele Modellflugzeuge gebastelt hatte, dass es in seinem Zimmer aussah wie während der Luftschlacht um England. Statt wie andere Kinder am Strand unbekümmert in der
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