Cleo
sickerten unter der Tür durch, die ich so nachdrücklich wie möglich zugemacht hatte.
»Walgesänge«, rief Emma. »Mit unterschwelligen Botschaften.«
»Ach«, erwiderte ich leichthin. »Was meinst du denn mit unterschwellig?«
»Der Walgesang ist mit Botschaften unterlegt, die man nicht bewusst wahrnimmt«, sagte sie. »Um dein Denken zu ändern.«
Endgültig alarmiert reckte ich den Hals aus dem Wasser, um aus dem Waljodeln irgendwelche versteckten Botschaften herauszuhören. Irgendein seltsames Gemurmel war datatsächlich. Vielleicht versuchte mich Emma einer Gehirnwäsche zu unterziehen, damit ich irgendeiner religiösen Sekte beitrat?
»Worum geht es denn bei diesen Botschaften?«, fragte ich und versuchte die Angst in meiner Stimme zu verbergen.
»Na ja, so Sachen wie entspann dich, lass los.«
Wenn irgendein Wal, egal ob ein weißer, ein blauer oder ein Pottwal, jemals bei einem von mir geleiteten Chor zum Vorsingen käme, würde ich ihn wieder nach Hause schicken. Die waren ja völlig unmusikalisch. Ich ließ mich in den Schaum zurücksinken und konzentrierte mich darauf, mich zu entspannen.
»Ist es warm genug?« Emma platzte ins Bad und hielt ihr Gesicht so dicht an meins, dass ich den Knoblauch in ihrem Atem riechen konnte.
»Ja, danke«, sagte ich und glitt dabei so tief wie möglich ins Wasser, ohne dass ich ertrank. »Es ist ideal, ganz toll. Ich glaube …«
»Ja?«, fragte Emma, deren Kopf sich wie die Sonne über dem Badewannenhorizont erhob.
»Ich möchte jetzt lieber raus.«
»Nein, auf keinen Fall! Dann entgeht dir ja die Massage!«, rief Emma und grub sogleich ihre großen kräftigen Finger in meinen Nacken.
Massage? Wie ein Hund, den man zur Fellwäsche verdonnert hatte, ließ ich ergeben und mit hängendem Kopf ihre Aufmerksamkeiten über mich ergehen. Emmas heißer Atem schien immer lauter zu werden. Die maskuline Note ihres Parfüms (Rasierwassers?) verursachte mir leichte Übelkeit.
Bilder einer Zukunft, die ich mit einer gut gebauten Frau und ihrer Türkissammlung in einem rosenüberwuchertenCottage verbrachte, stiegen vor meinem geistigen Auge auf. Zwei Lehrerinnen an meiner Highschool hatten so gelebt. Alle hatten über sie Bescheid gewusst, obwohl sie, um die Gerüchteküche nicht unnötig anzuheizen, stets mit zwei Autos zur Schule fuhren. Es hieß, sie hätten verfügt, dass man sie zusammen beerdigt.
Rein theoretisch betrachtet war es durchaus eine Möglichkeit. Ein Leben mit Emma würde mich vor einer Menge männlicher Grausamkeiten bewahren. Testosteronabhängige Probleme würden der Vergangenheit angehören, die Konkurrenz durch blonde Zahnärztinnen wäre zu vernachlässigen und ich könnte mit zahlreichen Zärtlichkeiten rechnen, die Frauen so sehr mochten. Umarmungen, Schmusen, eigentlich alles, was man auch von einer Katze bekam. Ich mochte Emma. Da war nur ein winziges Problem. Ich liebte sie nicht. Jedenfalls nicht auf die Art.
Als Emma mein Gesicht zu sich drehte und ihre feuchten Lippen auf meinen Mund drückte, war mir das jedenfalls sofort klar. Ich war nicht die Art Frau.
Seit ich Philip das letzte Mal gesehen hatte, waren sechs Monate vergangen. Ich war über die Trennung hinweg, zumindest tat ich so. Eigentlich konnte ich auch gar keinen Mann gebrauchen, da mich die Kinder und die Zeitung, bei der ich zu einer Art Kapazität für Frauenthemen geworden war, genügend in Trab hielten. Emma hatte den Kontakt zu einer Hexe aus Auckland hergestellt, die sich bereit erklärt hatte, mich zu einem Gespräch über weibliche Spiritualität in der Redaktion aufzusuchen. Offenbar brauchten Hexen genau wie alle anderen Publicity. Abgesehen von den Bergkristallen um ihren Hals und den Heftpflastern um einige ihrer krummen Zehen, die aus den Birkenstocksandalenherausschauten, wirkte sie wie eine ganz normale ältere Frau, mit deren Einkaufswagen ich im Supermarkt zusammenrumpeln hätte können. Ich führte sie in den für Interviews vorgesehenen Raum. Wir lächelten uns an. Im Stillen überlegte ich, ob sie mein Hexenpotenzial erkannte. Sie überraschte mich mit der Frage, ob ich ein Haustier hätte. Als ich Cleo nannte, beugte sie sich vor, was die Bergkristalle zum Klirren brachte.
»Eine schwarze Katze ist der optimale Hausgenosse für eine Hexe«, sagte sie. »Im Körper einer schwarzen Katze manifestiert sich oft ein Geist und schließt sich einer Hexe an, um ihr in psychischen und übersinnlichen Angelegenheiten zur Seite zu stehen.«
»Wollen Sie
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