Cleo
Säulen vor dem Museum warfen lange Schatten. Es war ein wunderschöner Abend, geradezu eine Wiederholung des Abends, an dem wir uns kennengelernt hatten. Ich erinnerte mich daran, wie damals die Hochzeitsgäste auf der Treppe standen und an das Gefühl des Wiedererkennens, das ich beim Anblick meines hübschen Exsoldaten gehabt hatte. Ich war mir noch immer nicht sicher, ob die körperliche Anziehung das Ergebnis einer kosmischen Explosion beim Aufeinandertreffen zweier Seelenverwandter war – oder einfach reine Lust.
Philip tauchte wieder auf und machte uns ein Zeichen, die Treppe hochzukommen. Wir kletterten aus dem Auto. Normalerweise hätte Rob Cleo auf der Rückbank gelassen,aber er schien zu spüren, dass etwas Bedeutsames geschehen würde. Er trug sie die Stufen hoch, und ich nahm Lydia an die Hand.
Philip stand rechts vom Eingang genau an der Stelle, an der ich ihn das erste Mal gesehen hatte, einer der letzten Sonnenstrahlen fiel auf ihn.
»Da ist etwas, das ich dir gerne zeigen möchte«, sagte er, machte einen Schritt zur Seite und streckte die Hand aus. Er deutete auf eine der zurückgesetzten Fensternischen aus Beton, die so tief im Schatten lag, dass ich nichts Ungewöhnliches erkennen konnte, und ich fragte mich langsam, ob Philip wirklich so unkompliziert war, wie ich dachte.
»Sieh genau hin«, sagte er lächelnd.
Ganz hinten in der Nische lag ein kleines dunkelblaues Kästchen. In dem Kästchen befand sich ein Diamantring. Vor den Augen von Rob, Lydia und Cleo steckte er ihn mir an den Finger.
»Woher kennst du denn meine Größe?«, fragte ich, selbst ein wenig erstaunt über meinen fehlenden Sinn für Romantik, wobei ich allerdings tief beeindruckt war.
»Ich habe einen Ring aus deinem Schmuckkästchen geklaut. Ich hatte gehofft, dass du es nicht merkst. Und, hast du es gemerkt?«
Ich schüttelte den Kopf. Ich bekam kein Wort heraus. Dafür war ich viel zu beschäftigt damit, vor Rührung nicht loszuheulen.
Unter den gegebenen Umständen hielten wir eine lange Verlobungszeit für angemessen. Ohne ein genaues Datum festzulegen, kamen wir überein, dass ein Jahr reichen müsste, dann hätten wir uns als Familie zusammengerauft. Ich war erst sechsunddreißig, hatte also noch genug Zeit, falls Philip das dringende Bedürfnis verspüren sollte (Gott bewahre!),seine Gene weiterzugeben. Ich kam mir zwar ein bisschen blöd vor, als ich meinen raubeinigen Journalistenfreunden erzählte, dass ich mich verlobt hatte und dass selbst Jane Austen zufrieden mit der vorgesehenen Verlobungszeit wäre, aber ich hielt sie einfach für angebracht. Das war schließlich keine normale Heirat. Es war eine Verbindung zwischen einem Mann, drei Menschen und einer Katze. Alle Beteiligten sollten sich wohl dabei fühlen.
Gerade als ich mich daran gewöhnt hatte, einen Verlobungsring zu tragen, warf der Briefträger einen bedeutsam aussehenden Brief bei uns ein.
»Die müssen verrückt sein in Cambridge!«, sagte ich und reichte Philip das ziemlich wichtig aussehende Schreiben, das mit der Post eingetroffen war. »Sie haben mich genommen.«
Er lachte, nahm mich in seine unfassbar sehnigen Arme und erklärte, er wäre nie von etwas anderem ausgegangen. Zeitlich passte es perfekt. Philip war gerade an einer renommierten Schweizer Managementschule, der IMD, angenommen worden, wo er seinen MBA machen wollte (manchmal fragte ich mich, ob er vorhatte, in einem See von Abkürzungen zu ertrinken). Wenn dann mein Stipendium auslief, konnten die Kinder und ich für den Rest des Jahres zu ihm nach Lausanne kommen …
Cambridge, die Schweiz. Das war ein Ding der Unmöglichkeit. Ich würde Rob und Lydia drei Monate in Neuseeland zurücklassen müssen – und Cleo ein ganzes Jahr! Ausgeschlossen. Ich würde mich in meinem Antwortschreiben an die Universität für ihre Großzügigkeit bedanken und absagen.
Aber Philip drängte mich anzunehmen. Wann würde sich jemals wieder eine solche Gelegenheit ergeben? Steve undMum waren derselben Ansicht. Mum bot an, sich im ersten Monat um die Kinder zu kümmern, und Steve erklärte sich bereit, sie in den anderen beiden zu übernehmen. Cleo sah mich unverwandt an. Wollte sie mich dazu bringen, zu gehen oder zu bleiben?
Nach meinen drei Monaten in Cambridge sollte Lydia zu uns in die Schweiz kommen und Französisch lernen (das ging angeblich im Handumdrehen). Rob wollte lieber auf seiner Highschool bleiben und uns in den Ferien besuchen. Es war ein verrückter, unrealistischer Plan,
Weitere Kostenlose Bücher