Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Cleo

Titel: Cleo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Brown
Vom Netzwerk:
daran erinnert, einfach nur zu sein.
    Die Ohren einer Katze vernehmen gelassen den dumpfen Knall einer Schultasche, die auf den Boden gedonnert wird, und den Schrei einer Mutter, die Ameisen in der Zuckerdose entdeckt. Die Menschen und ihr Hang zur Überreaktion amüsieren sie. Nichts von dem, was sie tun, kann sie ausder Fassung bringen, außer vielleicht wenn die Kleinen ihr Babykleider anziehen und sie in einen Kinderwagen sperren.
    Ihre Pfoten nehmen das leiseste Beben der Erde wahr. Ihre wachsamen Augen sehen mehr als die der Menschen. Wenn sie schläft, bedeckt sie ihre Augen mit einem dritten Lid, einer durchsichtigen Membran, so dass ihr keine Bewegung entgeht. Eine Katze sieht alles, aber sie ist klug genug, ihre Meinung für sich zu behalten.
    Schwarze Katzen bringen Glück oder Unglück, je nachdem, auf welcher Seite des Atlantiks man sich befindet. Wenn jemandem in England eine schwarze Katze über den Weg läuft, dann kann er sich glücklich schätzen. In anderen europäischen Ländern und in Amerika bedeutet das hingegen Gefahr.
     
    Es gab keinen Grund, die Therapeutin ein zweites Mal aufzusuchen. Sie hätte mir nur gesagt, dass ich es noch einmal mit einem One-Night-Stand versuchen sollte, und wir alle wussten, wie das endete. Allerdings hatte ich aus meinen Fehlern gelernt. Ich zog mich also von der Singlebörse zurück und übte mich in Abgeklärtheit. Dabei entwickelte ich mich zu einem beängstigenden Abklatsch meiner Mutter und litt wie sie unter dem Syndrom einsamer Menschen, immer wieder dieselben Geschichten zu erzählen. Wenn der Blick meiner Gesprächspartner glasig zu werden begann, unterbrach ich mich und fragte: »Habe ich dir das etwa schon erzählt?« Die Höflichen sagten Nein.
    Auf Nachfrage erklärte ich, es ginge mir so gut wie noch nie. Na und? Eine Katze verliert auch nie ihr Lächeln. Ich bemühte mich nach Kräften, eine autonome Hexe zu werden, die keinen Mann brauchte. Als Allererstes flog das Wort Kompromiss aus meinem Wortschatz. Dann führteich den Chinesenanzug regelmäßig aus. Ich hängte kitschige Enten aus Ton auf, trank Wein und furzte, wenn mir danach war. Wenn die Kinder bei ihrem Vater waren, drehte ich abends die Stereoanlage so laut auf, dass auch die Nachbarn etwas davon hatten, und tanzte halbnackt zu Marvin Gaye (niemals zu Ella und Louis!). Meine Freundinnen fanden das gut. Sie sagten, ich dürfte das.
    Autonom sein mochte sich vielleicht ganz gut anhören, aber offen gestanden, so toll war es nicht. Eine Hexe mag ja ihr Leben im Griff haben, aber sie hat auch einen hartnäckigen Stalker: die Einsamkeit. Wenn die Kinder im Bett waren, goss ich mir ein Glas Wein ein. Cleo trottete zu mir. Der Schatten ihres Schwanzes wanderte über die Wand, eine zwei Meter lange unheimliche Schlange. Wenn ich über ihr Fell strich, bekam ich einen leichten Schlag. Ich hob sie hoch und trug sie auf die hintere Terrasse. Dort saßen wir dann gemeinsam unter den Sternen, leckten unsere Wunden und betrachteten den aknenarbigen Mond.
    »Niemand dringt bis zum Herzen einer Hexe vor«, murmelte ich und vergrub meine Nase in ihrem samtenen Fell.
    Dennoch raste ich jedes Mal ans Telefon, wenn es klingelte. Er war es nie. Warum auch? Er hatte es nicht an Deutlichkeit fehlen lassen, als wir uns trennten, und er hatte gesagt, er sei nicht »bereit«, was auch immer das heißen sollte. Wenn die Leute immer warten würden, bis alles bereit ist, dann würde nie etwas passieren. Das Leben ist schließlich keine Speisekarte: Man kann nicht einfach eine Bestellung aufgeben, wenn man »bereit« dazu ist. Ich war nicht bereit gewesen, Sam zu verlieren. Und ich fand auch nicht, dass ich bereit war, mich von Philip zu verabschieden. Seine Worte waren unbarmherzig gewesen, aber aus seinen Augen hatte Traurigkeit und Liebe gesprochen. Zwar versuchte ich, zuakzeptieren, was er gesagt hatte, aber Glauben schenkte ich nur seinen Augen. Warum war er gegangen?
    Ich vermisste seine Ruhe, seine Stimme, die so warm wie ein Treibholzfeuer war, seine lächerlich konservative Kleidung, die schiefe Nase, die Härchen, die in seinen Ohren wuchsen. Was ich aber mit am meisten vermisste, war sein Geruch. Obwohl er nur selten Rasierwasser benutzte, roch er stets wie ein Wald. Warum sind eigentlich nur so wenige Sonette über den Geruch des Geliebten geschrieben worden? Auch Rob vermisste ihn. Philip war das dringend benötigte Vorbild gewesen. Nur hatte es sich dann leider als Fälschung erwiesen, herzlos wie eine

Weitere Kostenlose Bücher