Cleopatra
ihre Anschuldigungen wäre die Justiz garantiert auch auf die Idee gekommen, sich das ›Belegte Brötchen* näher anzuschauen, und das konnten sie sich nicht leisten.« Sie schaute Meulendijk an. »Was hat sie über dieses Projekt in Italien berichtet?«
Meulendijk schüttelte den Kopf. »Es war üble Nachrede«, sagte er plötzlich, als habe er für sich selbst einen Beschluss gefasst. »Ich habe eine diskrete Untersuchung durchgeführt. Ich hatte den Namen seiner Geliebten, aber keine Adresse; ich wusste noch nicht einmal, dass sie aus Belgien kam. Leute verlieren Geld in Italien: Das ist kein Verbrechen. Ich habe alles Mögliche überprüft. Das Ehepaar hat in Gütergemeinschaft geheiratet. Der Richter hat die offizielle Todeserklärung für Cleopatra ausgesprochen, bevor Cleveringa Helene van Staveren heiratete. Es ging um einen Minister. Diese Art von Vorfällen behandelt man mit Diskretion …«
»Du willst damit andeuten, dass du nicht zu tief gegraben hast.«
Jetzt wurde er böse. »Im Nachhinein hat man leicht reden! Ich habe Ermittlungen eingeleitet, genau wie es sich gehörte!«
Ich verzog das Gesicht. »Und dann hast du Cleveringa informiert.«
»Ja, natürlich. Ich habe ihn dazu befragt. Er gab offen zu, dass er, bevor er Minister wurde, einen Teil ihres Geldes bei diesem Projekt durchgebracht hatte und dass sie ihm das nicht verzeihen konnte. Er ließ durchblicken, dass ihre Ehe schon von Anfang an nicht richtig funktionierte und dass sie bereits einen Geliebten hatte, als sie mit ihrer gemeinsamen Tochter schwanger war. Er war noch immer davon überzeugt, ebenso wie der Rest der Welt, dass sie 1980 bei diesem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen war.«
»Aber der Umschlag bewies doch, dass sie 1983 noch lebte«, sagte ich heftig.
»Die Beweise waren keineswegs stichhaltig«, erwiderte Meulendijk.
»Und ihre Handschrift? Hatte sie nicht unterschrieben?«
»Der Brief war mit der Maschine geschrieben worden. Cleveringa lieferte zum Vergleich Proben von ihrer Handschrift vor 1980, doch der Experte konnte nicht zweifelsfrei feststellen, ob sie mit dieser Unterschrift identisch waren. Natürlich war inzwischen einige Zeit vergangen, die Person stand unter Stress, aber es hätte immerhin eine Fälschung sein können. Cleveringa war fest davon überzeugt, dass die Unterschrift gefälscht war. Er dachte, dass es sich um eine Racheaktion ihres Geliebten handeln könne. Er wusste nicht, wer dieser Mann war.«
Er sah meinen ironischen Gesichtsausdruck und wandte den Blick ab. »Ja, nun«, murmelte er. »Du hast wirklich leicht reden. Aber versetz dich einmal in meine Lage. Ich habe hier einen Minister mit makellosem Ruf, der mir ehrlich erzählt, wie es um seine Ehe stand, und der sein Bestes tut, um mir bei den Ermittlungen behilflich zu sein. Ein Experte erklärt, es könne sich bei der Unterschrift um eine Fälschung handeln. Cleopatra galt offiziell als tot. Bei der ganzen Sache schien es sich schlichtweg um Verleumdung zu handeln, mit der Absicht, den guten Ruf des Ministers zu beschmutzen und seine Karriere zu zerstören. Kannst du das denn nicht begreifen?«
Mir fiel auf, dass Meulendijk von seiner Gewohnheit abgewichen war, Sätze nicht zu beenden. Vielleicht formulierte er nur dann sorgfältig und mit Punkten und Kommata, wenn er in die Enge getrieben wurde oder Gründe hatte, sich wegen irgendetwas Vorwürfe zu machen. Seine Reaktion machte mich traurig.
»Ich war gerade erst fünfzig«, fuhr Meulendijk fort, als erriete er meine Gedanken und wolle sich noch weiter rechtfertigen. »Ich habe mir gedacht: Stell dir vor, du wärst Justizminister und so etwas …«
»Hattest du ein Ministeramt angestrebt?«
»Es wäre eine Möglichkeit gewesen.«
»Hat dir das damals jemand als Köder vor die Nase gehalten?«
»Nein«, sagte er mit traurigem Blick. »Du verstehst es immer noch nicht, dabei ist es so einfach. Ich dachte dabei nicht an mich. Für mich war das, was ich tat, einfach das Richtige.«
Er war die Verkörperung der korrekten Beamtenseele. Er hatte sich an die Anstandsregeln und Codes gehalten, an die Spielregeln des Milieus, in dem man davon ausgeht, dass Minister keine Straftäter sein können. Herren unter sich, aus demselben politischen Stall und mit demselben makellosen Stammbaum.
Ich seufzte deprimiert. »Aber du musst doch vermutet haben, dass es sich bei der Frau unter dem Tennisplatz um Cleo handelte.«
Er wich meinem Blick aus und wandte sich an Nel. »Ich hoffe, Sie
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