Cleopatra
Fons besorgt.
Ich konnte zwar Auto fahren, kam aber erst mitten in der Nacht, seelisch und körperlich völlig am Ende, auf Margas Bauernhof an. Mein Verstand versuchte mich mit dem logischen Gedanken zu beruhigen, dass Marga nichts fehlen würde, weil sie erst der nächste Schritt ihrer Drohungen war. Erst tun wir dies, und wenn du nicht brav bist, machen wir jenes.
Trotz meiner inneren Stimme schaltete ich die Scheinwerfer aus, bevor ich die Einfahrt erreichte, und parkte so leise wie möglich unter dem alten Apfelbaum gleich hinter dem Zaun. Ich nahm den Reifenheber, den ich für Notfälle unter dem Vordersitz aufbewahre, und näherte mich vorsichtig dem Bauernhof. Diese Maßnahmen waren im Grunde überflüssig, da ich in meinem Zustand noch nicht einmal einen alten Dorfbriefträger hätte in die Flucht schlagen können.
Ich hörte keine verdächtigen Geräusche. Das ganze Haus war dunkel. Alles war durchgeweicht, aber es regnete nicht mehr. Ich lief um den Hof herum, platschte durch den Schlamm und das hohe Gras, das höchstens zweimal im Jahr für zehn Gulden die Stunde von einem Schüler gemäht wurde. Ich trat unter die trockene Überdachung auf der Rückseite und drehte an dem Ring, mit dem man die Stalltür öffnete. Die Riegel waren nicht vorgeschoben und ich konnte ohne weiteres hinein.
Ich lief durch den dunklen Teil des Gebäudes zum Vorderhaus und lauschte unten an der Treppe. Marga lag oben und schlief. Niemand anders war auf dem Bauernhof, das spürte ich ganz deutlich. Ich schaltete das Licht ein und begann, mich auszuziehen.
Ich stand unter der Dusche, als Marga ins Badezimmer kam. »Ich wusste doch, dass ich jemanden gehört habe.«
»Ja, und es hätte Gott weiß wer sein können«, sagte ich gereizt.
Sie zog die Riffelglaspaneele auf und starrte mich mit offenem Mund an. »Was ist denn mit dir passiert?«
»Nichts.« Ich drehte den Hahn zu. Sie schaute mich besorgt an, im Morgenmantel und mit strubbeligen Haaren. »Ich habe eine Warnung gekriegt, mich von Cleveringa fern zu halten.«
Sie nahm ein Handtuch und kam zu mir. »Wo tut’s denn weh?«
»Nur wenn ich lache. Gott sei Dank habe ich nur wenig zu lachen. Vielleicht wäre es besser, wenn du für eine Weile weggehen würdest.«
»Warum sollte ich? Komm mal her.«
Ich zuckte vor Schmerz zusammen, als sie das Handtuch genau auf den Punkt an meiner Schulter drückte, wo mich einer der Tritte getroffen hatte.
»Sie wissen, wer ich bin, und sie wissen, wo ich bin«, sagte ich. »Der nächste Schritt ist die Frau. Das bist du. Kriminalität ist doch ein einziges Klischee.«
»Wollen sie damit erreichen, dass du die Ermittlungen einstellst?«
»Mir scheint, da wird jemand allmählich nervös.«
»Ich dachte, du hättest den Fall schon abgeschlossen. Gestern hast du mir doch von den beiden lustigen Autohändlern erzählt, Vater und Sohn.«
»Man hat mich gebeten, damit weiterzumachen, dafür werde ich bezahlt, und zwar von Lonneke Cleveringa.«
»Dann sollen sie der doch das Fell über die Ohren ziehen.«
Ich ging nicht auf ihre Bemerkung ein. Sie wusste, dass ich weitermachen würde. Das wusste sie schon seit Malta. Ich nahm ihr das Handtuch ab, weil das Abtrocknen weniger wehtat, wenn ich es selbst machte.
»Ich hole Salbe«, sagte sie. »Soll ich auch meine Pistole holen?«
»Jetzt warte doch mal.«
Sie blieb stehen. »Max, I love you. Aber ich kann nicht jedes Mal, wenn du an einem Fall arbeitest, für einen Monat woanders hinziehen. Was soll ich denn machen, meine Töpferscheibe und meine Ofen in Eis’ provisorischer Garage aufstellen oder zwischen den Bildern von Kiki? Ich gehe hier nicht weg. Ich habe diese wunderschöne Pistole von dir mit dem ganzen Schrot drin und ich habe keine Angst, das weißt du ganz genau. Außerdem ist das nicht meine Welt.«
Genau da lag das Problem: Sie hatte keine Ahnung davon, wie die Welt wirklich war. Der Vorschlag, Freunde einzuladen, damit sie wenigstens nicht allein war, war genauso sinnlos. Ihre Welt bestand aus Menschen wie sie selbst, Malern, Webern und Töpfern, der Fall-out der sechziger Jahre, des Wassermann-Zeitalters, den Michaels und Gerdas und Jacobs, die als Leibwache ungefähr so effektiv waren wie philosophierende Vogelscheuchen.
Ihre Töpferinnenhände wurden weich wie Samt, als sie mich auf dem Bett von der Seite auf den Bauch und dann auf den Rücken drehte, um die Blutergüsse und Prellungen mit einer nach Eukalyptus duftenden Salbe einzureiben. Alles klebte, aber der
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