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Cleverly, Barbara - Die List des Tigers

Cleverly, Barbara - Die List des Tigers

Titel: Cleverly, Barbara - Die List des Tigers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Ankleiden benötigen.«
    »Das wird nicht nötig sein, danke Govind. Ich bin daran gewöhnt, mich selbst anzukleiden.«
    »Wie so viele Militärs, Sahib.« Govind lächelte, wünschte ihm Salaam und verließ den Raum.
    Joe bediente sich an dem Mineralwasser, das auf einem silbernen Tablett auf seinem Nachttisch stand, dann schnürte er seine Schuhe auf und schleuderte sie sich von den Füßen. Er zog die Socken aus und presste seine Fußsohlen mit einem Seufzer der Zufriedenheit auf die kühlen Marmorfliesen. Anschließend setzte er sich auf das Bett und hüpfte versuchsweise ein- oder zweimal auf und ab, woraufhin er sich Jackett und Hemd vom Leib riss, sich ausstreckte und die Augen schloss. Wahrscheinlich dumm von ihm, aber es war ein langer Tag gewesen. Nur einen Augenblick, um seine sich überschlagenden Gedanken zu beruhigen, bevor er ins Bad stieg.
    Ein Schauder in der Luft, das fast unhörbare Geräusch einer verstohlenen Bewegung und ein scharfes, metallisches Klicken brachte ihn vom Rand des Schlafes zurück und weckte seine schläfrigen Sinne, um festzustellen, dass er nicht allein im Raum war. Joe öffnete die Augen und blickte direkt in den schwarzen Lauf seiner eigenen Pistole, die auf die Stelle zwischen seinen Augen gerichtet war.
    »Wie sorglos Sie doch sind! Wenn ich eine solche Waffe hätte, würde ich sie nie aus den Augen lassen!«, erklärte eine indische Stimme schnell und kultiviert auf Englisch. Die Stimme war männlich, jung, sehr hoch. Ein Kind?
    Joe riss sich von der hypnotischen Kraft des Laufes los und starrte auf die kleine, braune Hand, die die Waffe so standhaft hielt. Über der Hand blickte ein spitzbübisches Gesicht spöttisch auf ihn herab. Ein Junge von zehn oder elf Jahren, mutmaßte Joe, gekleidet in einen weißen Mantel aus Seide, eine weiße Hose und einen blau-weiß gestreiften Seidenturban.
    »Dabei sind Sie doch angeblich Polizist, wie man mir sagte!«
    »Und was bist du?«, erwiderte Joe gereizt. »Ein Einbrecher? Der Palastbandit? Nein, ich weiß, was du bist - einer dieser diebischen Affen, die in Gästezimmer einbrechen und die Haarbürsten stehlen! Tja, du hast das Fenster offen gelassen, Affe!«
    Der Junge sah überrascht zum Fenster und öffnete den Mund, um etwas Unhöfliches zu entgegnen. Ablenkung genug für Joe, um ihn am Handgelenk zu packen, mit einer raschen Bewegung die kleine Gestalt auf das Bett zu schleudern und ihr dabei die Waffe abzunehmen.
    »Steh auf und setz dich auf diesen Stuhl, Affe!«, schnauzte Joe. Der Junge rutschte vom Bett, rückte seinen Turban zurecht und setzte sich, den Blick fest auf die Waffe gerichtet.
    »Niemals mit einer Waffe auf jemanden zielen, außer du willst ihn töten«, erklärte Joe. »Nicht einmal, wenn die Waffe - wie diese hier - nicht geladen ist! Und unterhalte dich nie mit deinem Opfer, das zeigt nur, dass du es nicht ernst meinst. Jeder, der eine Waffe an den Kopf eines Mannes halten muss, um ihn zum Zuhören zu bewegen, wird sein Opfer wahrscheinlich eher zu Tode langweilen, als es mit Blei zu füllen.«
    Der Junge schluckte, funkelte Joe böse an und sagte hochmütig: »Da Sie mir die Ohren heiß reden, auch wenn ich das nicht als Unterhaltung bezeichnen würde, gehe ich davon aus, dass Sie nicht geschickt wurden, um mich zu ermorden?«
    »Dich zu ermorden?« Joe war sprachlos. »Wer bist du? Und was noch wichtiger ist, wofür hältst du mich eigentlich?«
    »Ich heiße Bahadur Singh. Ich bin der Sohn von Maharadscha Udai Singh. Der dritte Sohn«, erklärte er mit einem Stolz, den er trotz seiner offensichtlichen Angst nicht verbergen konnte. »Bishan ist tot, und jetzt ist auch Prithvi tot. Ich bin der nächste Sohn. Ich glaube, man hat Sie geschickt, um mich umzubringen.«
    »Warum denkst du das?« Joe legte die Waffe auf den kleinen Tisch neben der Tür.
    »Ich habe Ihr Gepäck durchsucht und die versteckte Waffe gefunden. Wer außer einem gedungenen Attentäter würde seine Pistole verstecken?«
    »Ist es dein Hobby, das Gepäck eurer Gäste zu durchwühlen?«
    »Ja, natürlich.« Der Junge schien erstaunt. »Wie soll ich sonst entscheiden, wen ich mag?« Da die Waffe nun außer Reichweite lag, entspannte er sich, und sein Tonfall wurde vertraulich. »Soll ich Ihnen verraten, was sich in dem kleinsten schwarzen Koffer von Sir Hector Munro befindet?«
    »Nein!«
    »Oder was Mr. Troop in seinem Kulturbeutel aufbewahrt?«
    Joe schämte sich, dass sein zweites »Nein!« einen verräterischen Sekundenbruchteil

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