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Cleverly, Barbara - Die List des Tigers

Cleverly, Barbara - Die List des Tigers

Titel: Cleverly, Barbara - Die List des Tigers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Schmucktafel?
    Als er Joes Interesse bemerkte, fuhr Govind fort: »Die Rasse der Rajputen stammt von der Sonne ab . um genau zu sein, von Lava, dem älteren Sohn von Rama. Jeden Morgen versammelt sich eine Menschenmenge hier im Hof, um zu beobachten, wie die aufgehende Sonne sich in dem goldenen Gesicht spiegelt, das Sie hier über sich sehen. Dann wissen die Leute, dass alles gut wird. Der Gott ist mit ihnen und denkt an seine Nachkommen.«
    »Und was ist, wenn sich die Sonne eines Tages nicht in dem Gesicht zeigt?«, fragte Joe. »Ich meine, es gibt doch auch eine Monsunzeit, oder nicht?«
    Aus dem schwachen Lächeln von Govind schloss Joe, dass er nicht der Erste war, der diese Frage stellte.
    »Wenn das Wetter unfreundlich ist, Sahib , und man die Sonne nicht sieht, dann öffnet der Herrscher selbst das Fenster und zeigt der Menge seine eigenen gottgleichen Gesichtszüge. Daraufhin sind alle sicher, dass sich die Sonne - in der einen oder anderen Form - immer um ihr Volk kümmern wird. Wenn Sie mir nun folgen wollen, Sahib?«
    Joe lief Govind durch ein Labyrinth aus Innenhöfen und Korridoren hinterher. Sie kreuzten schließlich einen üppigen, grünen Rasen und standen zu guter Letzt vor dem Gebäude, das sich an den Alten Palast anschloss. Joe schüttelte Müdigkeit und Hitzeerschöpfung ab. Der Neue Palast, nahm er an. Nun ja, neu in viktorianischer Zeit. Joe betrachtete amüsiert das englische Landhaus, das vor ihm aufragte, und fragte sich, wer wohl der Architekt sein mochte. Charles Voysey? Edwin Lutyens? Nein. Er sah genauer hin und entdeckte ein ausgeprägt östliches Element in dem Entwurf, der eine harmonische Mischung aus östlichem und westlichem Stil darstellte. Sofort schoss ein Name hoch: Sir Samuel Swinton Jacob. Eindeutig steckte seine Handschrift in diesem beeindruckenden Bau.
    Govind war stehen geblieben. Er hatte gespürt, dass sein Schützling zurückfiel. Mit reumütigem Lächeln winkte Joe Govind zu und folgte ihm durch einen imposanten Eingang und entlang einem Korridor mit Marmorboden, durch den unerklärlicherweise ein kühlerer - wenn auch nicht kühler - Luftstrom floss. Sie durchquerten einen Innenhof, den Joe für einen Teil des einfachen, aber klug entworfenen natürlichen Kühlungssystems des Gebäudes hielt. Der Hof war voll heiser kreischender Pfauen und flatternden weißen Tauben. Die Mitte des Hofes war begrünt und gut bewässert. Die Bepflanzung spiegelte erneut den Mix aus Ost und West wider: durch und durch englische Rosen, die sich beherzt gegen extravagante Bougainvilleen behaupteten, welche sich in verschiedensten Farbtönen, von reinem Weiß bis zu tiefem Purpur, kaskadenartig ergossen. Ein betäubender Duft, der sich in der Abendluft noch verstärkte, bezauberte Joe. Er blieb erneut stehen und erkundigte sich danach. Govind langte nach oben, pflückte eine Blüte von einem hohen Strauch und reichte sie Joe. Die kleine, glockenförmige Blüte war cremeweiß und sah aus, als sei sie aus Wachs geformt.
    »Frangipani, Sahib «, klärte ihn Govind auf. »Entzückend, nicht? Obwohl ich finde, dass sie ein wenig überwältigend wird, wenn man sie allzu üppig wachsen lässt.«
    Joes Zimmer lagen in einem Gang direkt am Hof. Govind drückte die Tür auf und führte Joe hinein. Joe brauchte einen Moment, um sich umzuschauen. Das Ritz? Das Savoy? So gut wie beide, dachte er zufrieden. Ein elektrischer Ventilator an der Decke schien effektiv mit der Resthitze des Tages zurechtzukommen. Auf dem Bett türmten sich Seidenkissen, und es sah alles sehr einladend aus. Die Möbel waren das Beste, das Waring & Gillow zu bieten hatten, und sein Schrankkoffer stand bereits am Fußende des Bettes. Magischerweise schien auch seine Reisetasche die Tour sicher überstanden zu haben.
    »Mein Gewehrkoffer?«, fragte er besorgt.
    Govind beruhigte ihn rasch. »Ist bereits in der Waffenkammer, Sahib, wo er von unserem Waffenmeister überprüft wird, um sicherzustellen, dass die Reise Ihrer Waffe nicht abträglich war.« Er wies auf einen Glockenstrang und bat Joe, jederzeit zu klingeln, wenn er etwas wünschte. Dann führte er ihn durch einen Bogengang zu einem weiteren Zimmer, das als Arbeitszimmer mit einem funktionalen Schreibtisch, zwei Stühlen und einem Beistelltisch eingerichtet war, beleuchtet von eleganten, elektrischen Lampen. Eine weitere Tür, erklärte Govind, führte ins Badezimmer. »Ihr Bad wurde bereits eingelassen, Sahib , und wartet auf Sie. Bitte läuten Sie, wenn Sie Hilfe beim

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