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Cleverly, Barbara - Die List des Tigers

Cleverly, Barbara - Die List des Tigers

Titel: Cleverly, Barbara - Die List des Tigers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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mit Marmor ausgelegten Hofes stand, der von Kolonnaden umgeben war. Irgendwo plätscherte ein Brunnen und benetzte sie mit feinen Wasserspritzern. Die Luft war schwer vom Duft der Orangerie neben dem Hof und von den blühenden Bäumen, die den See umgaben. Mit einer Geste lud der Dewan die Dinnergäste ein, sich ihm anzuschließen und sich im Schneidersitz auf die Teppiche zu setzen, die über das Marmorpflaster ausgebreitet worden waren. Er bedeutete Joe, sich zu seiner Linken in der Mitte der Gruppe niederzulassen, und auf sein Nicken hin fing eine kleine Gruppe von Musikern am Ende der Kolonnaden zu spielen an, und die Musik setzte ein.
    Joe hörte Tabor und Sarangi heraus, eine Flöte und eine Gitarre, deren Spieler so kunstfertig waren, dass sie mit den Philharmonikern hätten auftreten können. Die süßen Noten der Tappa füllten die Luft, eine Melodie von täuschender Einfachheit, die Joe an die Weisen seiner schottischen Heimat erinnerte. Nach einer kurzen Pause setzte die Musik wieder ein, diesmal lauter, schneller und betörender.
    Ein Ensemble von Tänzerinnen kam in den Hof gewirbelt. Die Glöckchen an ihren Knöcheln läuteten in einem eindringlichen Rhythmus, während sie nach vorn stampften und ihre Plätze auf den schwarzen und weißen Marmorvierecken des Hofes einnahmen. Vor diesem nüchternen Hintergrund stachen die leuchtend roten, blauen, lila und gelben knöchellangen Röcke aus schwerer Seide besonders hervor, beleuchtet von zahllosen Fackeln und Kerzen, die an den Säulen befestigt waren. Die kohlschwarzen Haare der Tänzerinnen fielen zu beiden Seiten ihrer Gesichter zu glänzenden Vorhängen herab, die Umrisse ihrer dunklen Augen waren mit Kohl umrahmt.
    Natsch-Mädchen, so nannte man sie, wie Joe wusste, aber er hatte noch nie einen Natsch-Tanz gesehen. Von den Junggesellen, die für die East India Company gearbeitet hatten, wurden diese Auftritte sehr geschätzt, ihre größtenteils verheirateten und prüden Nachfolger des viktorianischen England missbilligten sie jedoch. >Selbst schuld!<, dachte Joe und machte sich daran, den Tanz zu genießen. Die ausdrucksstarken Augen und das strahlende Lächeln der Tänzerinnen bezauberten ihn, und während sie in einem immer schnelleren Rhythmus tanzten, verlor er sich in der Bewunderung ihrer geschmeidigen Vitalität. Von den ein Dutzend Tänzerinnen schienen ein paar die Stars zu sein, und diese tanzten einzeln vor dem Dewan. Besonders eine zog Joes Bewunderung auf sich. Sie war etwas größer als die anderen und zeigte sich in ihrem Tanz außergewöhnlich akrobatisch, was den Applaus der Menge hervorrief. Mit der Haltung der großen Shakespeare-Darstellerin Ellen Terry, die ein drittes Mal vor den Vorhang tritt, wiederholte sie ihre Tanzeinlage, und Joe bemerkte fasziniert, dass sie nach jeder Drehung seinen Blick suchte. Erst glaubte er, er würde sich irren, aber nein, als sie sich dem Rest des Ensembles wieder anschloss, beobachtete sie ihn weiterhin. Der Dewan schien sich dessen bewusst zu sein. Er drehte sich mit hochgezogener Augenbraue zu Joe, beugte sich zu ihm und flüsterte mit amüsierter Stimme: »Ihr Name ist Padmini!«
    Er kicherte fröhlich in sich hinein, während die Tänzerinnen mit einer finalen sportlichen Drehung verschwanden.
    Plötzlich tauchten Gläser mit Granatapfelsaft und Eistee an ihren Ellbogen auf, während die Musiker langsamer machten und leise eine indische Weise spielten. Der Dewan erhob sich. Auch der Rest des Publikums stand auf, und eine Welle der Erregung erfasste die versammelten Höflinge.
    »An dieser Stelle der abendlichen Unterhaltung hätten meine Vorfahren Sie mit einem blutigen Zweikampf ergötzt«, erzählte der Dewan im Plauderton, an Joe gewandt. »Aber das machen wir nicht mehr, auch wenn ich an einen Wettstreit anderer Art denke. Wir Rajputen genießen Sport ebenso wie die Briten, müssen Sie wissen. Und wir hoffen, dass unsere Gäste daran teilnehmen.«
    Joe spürte eine Welle der Angst durch sich hindurchlaufen. Ihm gefiel die Betonung auf dem Wort >Briten< nicht. Sie erwarteten doch sicher nicht, dass er ihnen eine Show bot? Großer Gott! Waren Sie nicht Anhänger des handschuhlosen Boxkampfes und des Ringkampfes mit Panthern? Es gab Dinge, die er nicht zu tun bereit war, auch nicht für die Ehre des Empire. Beklommen wartete Joe auf die nächste Ankündigung des Dewan.
    »Wir hoffen, die Zierde von Scotland Yard für eine freundliche - ich hoffe, freundliche - Runde des Lieblingsspiels der

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