Cleverly, Barbara - Die List des Tigers
hatten dasselbe Parfüm auf Lois Vy-vyan entdeckt. Für die Lavendel-Lady war er unpassend, hatte Joe befunden, aber dieser Duft - exotisch und doch elegant, ein warmer, geheimnisvoller Cocktail - hätte mit Shubhada vor Augen erschaffen worden sein können. Waren sich die beiden Frauen dieser Kollision bewusst? Vielleicht war es ihnen nicht einmal aufgefallen.
Aber Claude musste es doch sicher bemerkt haben?
Oder nahm Claude einfach an, dass weibliche Haut immer so roch? Joe sah erneut zu Claude, der zwischen Lizzie zu seiner Linken und Edgar zu seiner Rechten saß. Claude beugte sich zu Lizzie und hörte ihr mit echtem Interesse zu, lächelte und machte eine Erwiderung, die ihr vor unterdrücktem Lachen Schluckauf einbrachte. Ein natürlicher Charmeur, der sich dessen nicht einmal bewusst zu sein schien, dachte Joe mit einem Anflug von Neid. Die beste Art - die Art, die genug Selbstvertrauen besaß, um keine Bestätigung suchen zu müssen. Er fragte sich, ob Claude jemals auf einer Schwelle gestanden war, im Schweiße der Unentschlossenheit, unsicher, ob er willkommen sein würde, seine Manschetten vorgezogen, seine Krawatte zurechtgerückt und schwer geschluckt hatte? Joe konnte es sich nicht vorstellen. Die fröhlichen, blauen Augen, das kluge, leicht schiefe Lächeln, der Schopf dichter und glänzender Haare, wie bei einem kleinen Jungen, mussten immer schon Aufmerksamkeit und Billigung hervorgerufen haben.
Wenn auch nicht bei Edgar, wie Joe sich erinnerte. Edgar war klugerweise zwischen Claude und Colin O’Connor platziert worden, damit keine Dame die Aufgabe hatte, höfliche Konversation mit ihm betreiben zu müssen. Er tauschte glücklich abenteuerliche Geschichten mit seinem alten Tigerjagdkumpel aus und lief nicht Gefahr, irgendjemand zu verärgern.
Zum Schluss des herrlichen Mahles - zu dem in der Tat ein Wildschweingang gehört hatte, den Joe für >nonpareil< erklärte, sowie eine Auswahl aufwändiger Desserts, inklusive einer Nachbildung des Mount Everest aus Baiser, Schlagsahne und Schokolade -war es Lois, die die Blicke der Damen auffing und Shubhada zuflüsterte: »Ich denke, wir sind bereit, uns zurückzuziehen, Euer Hoheit.« Shubhada erhob sich und führte mit anmutigem Lächeln die kleine Gruppe der Damen aus dem Raum.
Sofort wurden Port und Brandy und silberne Zigarrenkisten auf dem Tisch ausgebreitet, und die Herren, die sich selbst überlassen waren, streckten unbewusst die Beine aus, fuhren mit den Fingern in den Kragen und öffneten verstohlen den einen oder anderen Knopf. Der Ton wurde rauer, und die Stimmung stieg. Edgar hob zu einer nicht ganz jugendfreien Erzählung an, und das erste gedämpfte Lachen des Abends lief in Wellen um den Tisch.
Ein Diener trat ein und sprach leise mit Vyvyan, der nickte und ihn wieder fortschickte. »Wir bekommen Gesellschaft«, verkündete er den Anwesenden. »Der Dewan, der, wie Sie sich sicher denken konnten, bis über beide Ohren damit beschäftigt war, die Probleme des heutigen Tages zu lösen, wird sich uns zum Brandy anschließen. Joe, Sie sind der Einzige, der den Dewan noch nicht kennen gelernt hat. Er ist der ältere Bruder des Maharadschas, und Sie werden die Familienähnlichkeit bemerken. Zalim Singh ist . ich denke, man würde ihn Premierminister nennen . der Großwesir . er spielt den Thomas Wolsey für Udais Heinrich den Achten. Es geschieht nicht viel im Staate Ranipur, wovon er nichts weiß.«
Bildete Joe es sich nur ein oder blinzelte Claude ihm zu, als er das sagte?
»Er ist der Sir George der Rajputen, wollen Sie das damit sagen?«, meinte Joe.
»Ach, ich fürchte, ich spiele leider nicht in derselben Liga«, erklärte eine tiefe und amüsierte Stimme aus Richtung Tür.
Zalim Singh trat lächelnd ein, aufgeschlossen und sicher, dass er willkommen sein würde. Anders als sein Bruder, der sich für westliche Abendgarderobe entschieden hatte, trug Zalim einen beeindruckenden, weißen Seidenmantel mit passender Hose sowie einen mit Juwelen besetzten Turban, eine dicke Perlenkette um den Hals und goldene Schuhe an den Füßen. Er war so groß wie sein Bruder, gut über einen Meter achtzig, aber massiver gebaut, und er strotzte nur so vor Gesundheit und Kraft, was im Widerspruch stand zu Joes Erwartung an einen Mann, der sein Leben als Politiker und Höfling in schattigen Fluren und Vorzimmern des Palastes führte.
»>Großwesir« Zalim lächelte. »Ja, das gefällt mir! Ganz sicher bin ich kein Thomas Wolsey, obwohl ich zugeben
Weitere Kostenlose Bücher