Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cleverly, Barbara - Die List des Tigers

Cleverly, Barbara - Die List des Tigers

Titel: Cleverly, Barbara - Die List des Tigers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
Vom Netzwerk:
keineswegs. Aber das Ergebnis wird sie unterhalten . egal, wie es ausgeht. Hier sind Klatsch und Spekulation ebenso beliebt wie in einer typischen Offiziersmesse«, erwiderte Vyvyan kryptisch.
    »Was zur Hölle?«
    »Beruhigen Sie sich, und spielen Sie mit, Sandi-lands. Es ist nur ein Spiel. Es wird vielen Leuten großes Vergnügen bereiten, wenn Sie das hier verpatzen, und das ist auch schon das Schlimmste, was passieren kann. In dieser Art von Wettkampf stirbt wenigstens niemand. Die Leute hier mögen eine gute Show, darum würde ich an Ihrer Stelle alles etwas überziehen. Spielen Sie für das Publikum. Hören Sie zu, das sind die Regeln: alles sehr einfach für einen fähigen Schachspieler, der Sie ja offenbar sind .«
    Vyvyan erklärte die Regeln, die tatsächlich recht einfach schienen. So einfach war das Spiel, dass Joe keine Sekunde lang verstehen konnte, warum die Menge mit einer Unterströmung von Erregung aufwartete.
    »Das ist ja alles schön und gut«, meinte Joe ungeduldig, »und ich will ja nicht schwierig sein, aber wenn ich Schach spiele, dann normalerweise mit Schachfiguren . Sie wissen schon . Bauern, Türme, Springer und vielleicht sogar mit König und Königin . Ich sehe hier aber keine Figuren.«
    Vyvyan lächelte wissend. »Ah ja. Die Figuren«, meinte er mysteriös. »Wenn ich mich nicht sehr irre, dann kommen sie hier gerade.«
    Er drehte sich zu Joe, um dessen Ausdruck von Verblüffung zu genießen, als die Menge sich teilte und zwei Reihen wunderschöner, junger Frauen mit läutenden Glöckchen, einem Trommeln nackter Füße und einem Wirbel bunter Röcke in den Hof liefen. Kichernd und mit koketten Seitenblicken aus kohlumrahmten Augen nahmen sie ihre Plätze auf dem Brett ein. Joes Figuren waren in Rot und Blau gekleidet, Edgars in Grün und Gelb. Joes Erstaunen verwandelte sich in Amüsement, und er entspannte sich.
    Der Dewan wandte sich mit dröhnender Zeremonienmeisterstimme erneut an das Publikum. »Als dieses Spiel von Herrscher Akbar erfunden wurde, waren die Schachfiguren Sklavinnen, und der Gewinner des Spiels durfte sie alle mitnehmen und behalten. Aber wir leben in zivilisierteren Zeiten. Der Gewinner dieses Spiels wird natürlich nicht mit all den Schönheiten entschwinden dürfen, die Sie hier vor sich sehen. Aber er wird seinen Preis bekommen.« Er hielt theatralisch inne, sah erst Joe, dann Edgar an. »Er darf sich eines der Mädchen für eine Nacht aussuchen.«
    Unter den Rufen und dem Gelächter, das daraufhin ausbrach, fasste Joe seinen Ekel in Worte. Mit fest gezurrtem Lächeln erwiderte Claude: »Andere Länder, andere Sitten, Joe! Kommen Sie, es ist nicht das Ende der Welt! Es ist eine Ehre, dass Sie ausgesucht wurden. Versuchen Sie, so auszusehen, als ob Sie es zu schätzen wüssten. Um Gottes willen, Sie können im letzten Moment ja immer noch Kopfschmerzen vortäuschen.« Und dann fügte er geheimnisvoll hinzu: »Wenn es dazu kommen sollte. Sehen Sie sich nur einmal Ihren Gegner an!«
    Sie schauten beide zu Edgar, der - massig, unattraktiv, alkoholisiert, aber selbstgefällig und zuversichtlich - bereits lüsterne Blicke über die Mädchen schweifen ließ.
    »La chevalerie oblige, Sandilands! Stimmen Sie mir da nicht zu?«
    »Ich sehe, was Sie meinen, Sir. Es gibt Schicksale, die schlimmer sind, als beim Schach zu verlieren! Und eine Nacht mit Edgar steht einwandfrei ganz oben auf dieser Liste!«
Kapitel 9
    Drei Töne aus einer silbernen Trompete lenkten die Aufmerksamkeit aller auf den Spielbeginn. Das Publikum verharrte und sah erwartungsvoll von Joe zu Edgar. Die Mädchen verstummten und blieben so reglos stehen, wie es Schachfiguren eben tun, mit dem Rücken zu ihrem Meister und dem Gesicht zum Gegner, bereit zum Kampf.
    Joe beugte sich zu Vyvyan. »Sind sie etwa nach Größe geordnet?«
    »Ganz genau«, erwiderte Vyvyan. »Ihre Bauern sind die kleinsten, alle gleich groß und mit roten Röcken. Die blauen Mädchen sind Ihre Hauptfiguren, nach Größe aufsteigend. Sie haben zwei kleine Türme am äußeren Rand, sehen Sie? Die Springer daneben, dann die Läufer.«
    »Warum haben die Läufer auf ihren Oberteilen Elefanten aufgestickt?«, erkundigte sich Joe.
    »Vergessen Sie nicht, es ist ein indisches Spiel. Ihre Armeen bestanden aus vier Gruppen: den Fußsoldaten - das sind Ihre Bauern; den Streitwagen - das sind Ihre Türme, die mit den goldenen Rädern auf den Oberteilen; dann der Kavallerie - das sind die Springer mit der Pferdekopfstickerei; und zuletzt den

Weitere Kostenlose Bücher