Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cleverly, Barbara - Die List des Tigers

Cleverly, Barbara - Die List des Tigers

Titel: Cleverly, Barbara - Die List des Tigers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
Vom Netzwerk:
Rajputen begeistern zu können. Wir nennen es Chaturanga.«
    Joe suchte in seiner Gedächtnisbank nach einem Hinweis auf diese Sportart, aber er wurde nicht fündig.
    »Sie spielen doch Schach?«, erkundigte sich der Dewan.
    »Schach?«, konnte Joe nur erstaunt wiederholen.
    »Ein Spiel, das aus Indien kommt, nicht wahr? Ja, ich spiele Schach ... aber hier? Jetzt?«
    »Ja genau, hier. Schauen Sie. Sehen Sie die Vierecke? Der Hof ist für ein Spiel unter freiem Himmel ausgelegt.«
    Joe betrachtete erneut das Muster aus schwarzen und weißen Marmorvierecken, und ihm wurde klar, dass sie mehr als nur dekorativen Zwecken dienten. Er stand vor einem gewaltigen Schachbrett.
    »Das ist eine Version unseres Nationalspiels, Chaupar oder Pachisi«, fuhr der Dewan fort. »Normalerweise spielt man es auf einem vierbeinigen Gitterrost, und es ähnelt Ihrem Ludo. Die Figuren werden entsprechend den Zahlen, die man erhält, wenn man Muschelschalen wirft, über das Brett gezogen.« Joe nickte verhalten. Er hatte schon einmal von diesem Spiel gehört. »Aber mein Bruder liebt Schach, wie man es in Europa spielt - es überlässt weniger dem Zufall und offenbart mehr die Fertigkeiten der Spieler -, also ließ er den Hof für dieses Spiel herrichten. Er hat gehört, dass Sie ein versierter Spieler sind, Commander .« Ein höfliches Nicken und ein Lächeln in seine Richtung änderten nichts an Joes dunklen Vorahnungen.
    Die Menge trat vor, murmelte und lächelte. Die dunkel gekleideten Dinnergäste waren leicht zu erkennen, wurden aber von den Turban tragenden raj-putischen Edelleuten in Hofkleidung, mit funkelnden Diamanten und glänzenden Perlen auf seidenen Mänteln, zahlenmäßig weit übertroffen. Die Atmosphäre war von zurückhaltender Jovialität, aber mit einer Unterströmung, die für Joe fast greifbar war, eine Unterströmung großer Erregung. Die Menschen scharrten über den Hof und nahmen Plätze ein, die eine möglichst gute Sicht auf das Schachbrett boten. Joe versuchte sich zu erinnern, ob ihr Interesse so weit ging, dass sie Wetten auf das Ergebnis abschlossen, und er fragte sich, wer sein Gegner sein würde. Mit sinkendem Mut musste er einräumen, dass es sich hier zweifellos um eine abgekartete Sache handelte und dass einer dieser klugen, konkurrenzsüchtigen Rajputen bereits ausgewählt worden war, um den Officer von Scotland Yard zum Narren zu machen.
    Er war überrascht und erleichtert, als er hörte, dass der Dewan Edgar Troop zu seinem Gegenspieler ernannte.
    Edgar lächelte und heuchelte bescheidenes Erstaunen, dann nahm er seine Position auf der anderen Seite des Hofes ein. Er nickte Joe höflich zu und schlug die Hacken zusammen. Joe tat das Gleiche, sein Verstand raste. Er hatte keine Ahnung, dass Edgar überhaupt Schach spielen konnte, aber Edgars Persönlichkeit hatte ungeheuer viele Facetten, von denen die meisten ihm dankenswerterweise bislang ein Geheimnis geblieben waren.
    Joe rief sich in Erinnerung, dass es sich nur um eine Unterhaltungseinlage nach dem Dinner handelte und dass sie mit willkürlicher Raffinesse gegeneinander aufgestellt worden waren, um das weitaus versiertere indische Publikum zu amüsieren. Joe war entschlossen, eine gute Vorstellung zu bieten. Für ihn war Schach das Äquivalent eines Schlachtplanes, und er begann sofort, die Lage zu sondieren. Er hatte keine Ahnung von den hiesigen Regeln, nahm aber an, dass sein Gegner sie kannte. Der Dewan ergriff erneut das Wort.
    »Commander Sandilands hat unser Nationalspiel noch nie gespielt. Ich denke, gemäß den britischen Regeln des Fair Play wäre es angemessen, beiden Spielern je einen Ratgeber zur Seite zu stellen.«
    Ein zustimmendes Murmeln erhob sich.
    »Claude? Dürfte ich Sie bitten, Sandilands beizustehen? Ich selbst werde Captain Troop helfen. Nicht, dass Edgar meine Hilfe bräuchte oder meinen Ratschlägen Aufmerksamkeit schenken würde.«
    Joe fiel auf, dass Colin O’Connor die Stirn runzelte und besorgt aussah. Er fing Joes Blick auf und schnitt eine Grimasse, die Joe nicht deuten konnte. »Pech, alter Junge, tun Sie einfach Ihr Bestes«, war die Interpretation, die Joe noch am ehesten dazu einfiel.
    Die Atmosphäre wurde zunehmend angespannt. Murmeln und Geplauder wurden durchsetzt mit plötzlichem Gelächter und langen, abschätzenden Blicken auf die beiden Spieler.
    »Schließen die Leute Wetten auf das Ergebnis ab?«, erkundigte sich Joe bei Vyvyan, der seine Position zu seiner Rechten eingenommen hatte.
    »Wetten? Nein,

Weitere Kostenlose Bücher