Cleverly, Barbara - Die List des Tigers
Ich habe auf Ihrem Kontinent nichts gesehen, was sich mit Surigargh vergleichen ließe.«
Joe nickte zustimmend.
»Aber sagen Sie, Sandilands, da ich Sie nicht für einen Touristen halte, warum haben Sie Surigargh einen Besuch abgestattet?«
»Ist das eine offizielle Befragung?«, meinte Joe leichthin.
»Überhaupt nicht.« Ajit lächelte. »Ich betreibe nur Konversation. Denn ich weiß bereits, warum Sie dort waren. Das ist kein Geheimnis!«
»Ali«, erklärte Joe. »Wir suchen dringend nach Captain Mercers Monteur. Mercer fällt es schwer, ohne seinen versierten Monteur auszukommen, was Sie ja sicher verstehen werden. Wir hörten, dass Ali nach Surigargh zurückgekehrt sei. Allerdings wissen wir nicht recht, warum.«
»Sie würden ihn dort nicht finden«, meinte Ajit.
»Nein, haben wir auch nicht. Offenbar hat ihn niemand gesehen. Keiner hatte eine Ahnung, wo er sein könnte. Ich frage mich, Ajit, ob Sie Alis gegenwärtigen Aufenthaltsort kennen.«
»Oh ja«, lautete die lakonische Antwort. »Ich bin überrascht, dass Sie nicht gleich gefragt haben.«
Joe wartete, ein fragendes Lächeln auf den Lippen. Sein Lächeln verblasste angesichts der Endgültigkeit von Ajit Singhs nächster Äußerung.
»Ab nach Delhi!«
Kapitel 15
Joe war erleichtert, als ihn in diesem Augenblick jemand am Ärmel zupfte. Er hörte Edgars Entschuldigung: »Tut mir Leid, diese Konferenz der Bullen zu unterbrechen, Ajit, alter Knabe«, meinte er leutselig, »aber Sandilands ist heute Vormittag sehr gefragt und hat seine Besuchsliste erst zur Hälfte abgearbeitet. Würden Sie uns bitte entschuldigen?«
Joe fügte seine eigenen Entschuldigungen hinzu und folgte Edgar hinaus. »Tja, danke, dass Sie mich vor der Inquisition errettet haben, Edgar! Was für ein Respekt einflößender Mann! Ich hoffe, er hat nie vor, mich in beruflicher Kapazität vorzuknöpfen!«
»Ajit ist ein guter Mann. Auf seine Weise. Hält Ordnung. Tut alles, was Udai erledigt haben will, und tut es ohne großes Aufheben. Ist auch ein tapferer Kerl - mit höchsten Kriegsehren, wie ich gehört habe. Trotzdem - ich weiß, was Sie meinen. Machen Sie ihn sich bloß nicht zum Feind, Joe. Ich möchte Sie nicht aus einem seiner Kerker befreien müssen. Ich werde nie vergessen, wie ich mich einst am anderen Ende seiner Polizeimethoden wiederfand.«
»Ich werde daran denken. Und jetzt - damit ich
etwas Positives zu berichten habe - könnten Sie mich vielleicht zu Sir Hector führen, der irgendwo in diesem Labyrinth sein muss. Er hat mich für heute Morgen um ein Gespräch gebeten. Und vom Morgen ist ja immer noch ein Rest übrig.«
Edgar grunzte. »Tja, dann sollten Sie sich besser beeilen. Ich soll Ihnen nämlich eine Einladung zum Tiffin mit den Vyvyans übermitteln. Lois trug mir auf, Sie zu bitten, sich um Schlag zwölf Uhr dreißig in der Residenz einzufinden. Sie kann Salonlöwen nicht ausstehen, darum sollten Sie sich besser in Schale werfen. Versuchen Sie, militärischer auszusehen, falls Sie sich noch erinnern, wie das geht. Und seien Sie pünktlich. Ich werde Govind bitten, Sie zur Residenz zu bringen. Und jetzt folgen Sie mir«, sagte Edgar und ging voraus.
Einige Minuten später waren sie wieder im Neuen Palast eingetroffen, und Edgar klopfte an die Tür einer Suite, die identisch mit Joes Unterkunft zu sein schien. Der alte Arzt öffnete sofort und begrüßte Joe. Edgar entschuldigte sich und ließ die beiden allein. Während Sir Hector zu einer Anrichte ging, um einen Whisky-Soda einzuschenken, ließ Joe rasch seinen Blick über die Räumlichkeiten wandern. Es faszinierte ihn, wie der Doktor seine Unterbringung so gestaltet hatte, dass sie ihm zusagte. Das Bett und die Stühle waren in den kleineren der beiden Wohnräume verfrachtet worden, und der größere Raum sah nun aus wie eine Kombination aus Bibliothek und Sprechzimmer. Auf den Bänken häuften sich Akten und In-strumentenkoffer, und es stand ein Messingmikroskop bereit mit einem schwarzen, mit Japanlack überzogenen Sockel, der die Aufschrift >Zeiss Jena< trug. Es gab sogar einen großen Tisch in der Mitte des Raumes, auf dem ein Patient, oder vielleicht eine Leiche, Platz finden konnte. Stapel von frischen weißen Leinentüchern und Reihen an gläsernen Medizinflaschen verliehen dem Raum eine beruhigend effiziente Aura.
»Haben Sie hier Hilfe?«, fragte Joe. »Sie scheinen ein kleines Krankenhaus zu führen .«
»Ich habe tatsächlich Hilfe«, meinte Sir Hector. »Es gibt da eine Horde junger
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