Clockwork Orange
»Halt dein schmutziges Maul, du Abschaum!«
»Schon gut, schon gut«, sagte der müde und wie erschöpfte Direktor. »Sie, 6537, sollen resozialisiert werden. Morgen werden Sie zu diesem Brodsky gehen. Man glaubt, Sie in etwa vierzehn Tagen aus dem Gewahrsam entlassen zu können. In etwas mehr als zwei Wochen werden Sie wieder in der großen freien Welt sein, nicht länger eine Nummer.« Er schnaubte kurz. »Ich nehme an, diese Aussichten erfreuen Sie?« Ich sagte nichts, und sofort brüllte der Obertschasso: »Antworte, du dreckiges junges Schwein, wenn der Direktor dir eine Frage stellt!« Also sagte ich: »O ja, Sir. Ich danke Ihnen, Sir. Ich habe hier mein Bestes getan, das habe ich wirklich. Ich bin allen Beteiligten sehr dankbar.«
»Seien Sie es lieber nicht«, sagte der Direktor und seufzte. »Dies ist keine Belohnung. Dies ist weit davon entfernt, eine Belohnung zu sein. Nun, hier ist ein Formular, das Sie zu unterschreiben haben. Es besagt, daß Sie mit der Umwandlung ihrer Reststrafe in das einverstanden sind, war hier, lächerliche Bezeichnung, Besserungsbehandlung genannt wird. Wollen Sie unterschreiben?«
»Selbstverständlich werde ich unterschreiben«, sagte ich, »Sir. Und vielen Dank.« Also kriegte ich einen Tintenstift und schrieb meinen Namen hübsch und flüssig unter das Getippte. Der Direktor sagte: »In Ordnung. Das ist dann alles, denke ich.« Und der Obertschasso sagte: »Der Herr Pfarrer möchte gern noch mit ihm sprechen, Sir.« So wurde ich wieder rausgeführt und durch den Korridor zur Kapelle getrieben, immer mit Tollschocks auf den Rücken und den Gulliver, aber in einer wie gelangweilten und gähnenden Art und Weise. Dann quer durch die Kapelle zu dem kleinen Kontora von unserem Vaterunsermann und rein zu ihm. Der Pfarrerveck hatte eine laute und klare Fahne von Scotch und schmauchte eine gute Zigarre.
»Ah, kleiner 6537, setz dich«, sagte er. Und zu den Tschassos: »Warten Sie draußen, ja?« Was sie taten. Dann govoritete er in einer sehr ernsten Art zu mir. »Du sollst wissen und verstehen, Junge, daß ich mit dieser Entwicklung nichts zu tun habe. Wäre es zweckdienlich, so würde ich dagegen protestieren, aber es ist nicht zweckdienlich. Da ist die Frage m einer eigenen Karriere und da ist die Tatsache, daß meine Stimme nur schwach ist und bei bestimmten mächtigen Gruppen in der Politik ohne Echo bleiben würde. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?« Ich fand es nicht, Brüder, aber ich nickte.
»Entscheidende ethische Fragen werden hier berührt«, fuhr er fort. »Du sollst zu einem guten Jungen gemacht werden, 6537. Nie wieder wirst du das Verlangen haben, Akte der Gewalttätigkeit zu begehen oder in irgendeiner Weise die staatliche Ordnung und die Autorität ihrer Organe anzutasten. Ich hoffe, du hast dir darüber Gedanken gemacht. Ich hoffe, du bist dir darüber absolut im klaren.«
»Oh, es wird schön sein, gut zu sein, Sir«, sagte ich. Aber ich smeckte dabei ganz horrorschaumäßig in mich hinein, Brüder. Er sagte: »Es könnte sich erweisen, daß es nicht schön ist, gut zu sein, kleiner 6537. Es könnte sich erweisen, daß es schrecklich ist. Und wenn ich das zu dir sage, ist mir bewußt, wie widersprüchlich es klingt. Ich weiß, daß ich manche schlaflose Nacht darüber verbringen werde. Was will Gott? Will er das Gute, oder will er die Entscheidung für das Gute? Ist ein Mensch, der sich für das Böse entscheidet, vielleicht in einer Weise besser als ein Mensch, dem das Gute auferlegt wird? Das sind harte und bohrende Fragen, kleiner 6537. Aber alles, was ich jetzt zu dir sagen möchte, ist dies: Solltest du zu irgendeiner Zeit in der Zukunft an diese Jahre zurückdenken und dich meiner erinnern, des niedrigsten und demütigsten unter allen Dienern Gottes, so denke, darum bitte ich dich, in deinem Herzen nicht schlecht von mir und glaube mich nicht verantwortlich für das, was nun mit dir geschehen wird. Ich möchte gern für dich beten, aber ich erkenne mit Trauer, daß es wenig Sinn haben würde, für dich zu beten. Du gehst nun in eine Region hinüber, wo du jenseits der Reichweite dessen leben wirst, was ich die Macht des Gebets nennen möchte. Ein schrecklicher, schrecklicher Gedanke. Und doch hast du in einem Sinne wirklich das Gute gewählt, als du die Wahl trafst, dich der Fähigkeit zu ethischen Entscheidungen berauben zu lassen. Dies ist wenigstens, was ich gern denken möchte. Daran, Gott stehe uns allen bei, 6537, möchte ich gern
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