Clockwork Princess: Chroniken der Schattenjäger (3) (German Edition)
ausstreckten und ihre metallischen Hände um Tessas Körper schlangen. Wohl wissend, dass sie überwältigt war und dass weiterer Widerstand ihr nichts nutzen würde, erlaubte Tessa sich endlich, laut zu schreien.
Ein Sonnenstrahl auf seinem Gesicht riss Will aus seinen Träumen. Er blinzelte und öffnete langsam die Augen.
Blauer Himmel.
Mühsam drehte er sich auf die Seite und setzte sich steif auf. Offensichtlich befand er sich am Fuß eines grünen Hügels, nicht weit entfernt von der Straße zwischen Shrewsbury und Welshpool. Um ihn herum war nichts zu sehen außer karger Landschaft mit ein paar verstreut liegenden Farmhäusern in der Ferne. Während seines fieberhaften Mitternachtsritts war er nur durch wenige Dörfer gekommen und immer weitergeritten, bis er vor Erschöpfung buchstäblich von Balios’ Rücken gerutscht und mit einem harten Schlag auf dem steinigen Boden aufgetroffen war. Geschwächt und übermüdet hatte er sich an den Straßenrand geschleppt, unterstützt von Balios, der ihn mit der Nase in einen flachen Graben schubste. Hier hatte Will sich zusammengerollt und war eingeschlafen, ohne sich um den kalten Nieselregen zu kümmern.
Irgendwann später war die Sonne aufgegangen und hatte seine verfilzten Haare und seine schmutzige Kleidung getrocknet – sein Hemd starrte vor Blut und Schlamm. Mühsam rappelte Will sich auf. Sein ganzer Körper schmerzte. In der Nacht hatte er sich nicht mit dem Auftragen von Heilrunen aufgehalten; stattdessen war er in das Wirtshaus gehumpelt, wo er eine Spur aus feuchtem Matsch hinterlassen hatte, war auf sein Zimmer gegangen, um seine Sachen zu holen, hatte dann Balios gesattelt und war in die Nacht hinausgeprescht. Die Verletzungen, die Woolseys Rudel ihm zugefügt hatte, schmerzten noch immer, genau wie die Blutergüsse vom Sturz auf den harten Boden. Steif hinkte er zu Balios, der im Schatten einer großen Eiche ein paar Grashalme zupfte. Die Suche in den Satteltaschen brachte eine Stele zutage, die Will zum Auftragen von Linderungs- und Heilrunen verwendete. Dann aß er etwas Trockenobst, das er ebenfalls in den Taschen gefunden hatte.
Die Ereignisse der Nacht zuvor schienen eine halbe Ewigkeit entfernt. Will erinnerte sich an den Kampf gegen die Werwölfe, an das Brechen von Knochen, den Geschmack seines eigenen Bluts, an den Regen und den Schlamm. Und er erinnerte sich an den Schmerz, den die Abtrennung von Jem verursacht hatte, auch wenn er ihn nicht länger spürte. Statt des Schmerzes fühlte er eine innere Leere – als ob eine riesige Hand herabgegriffen und alles Menschliche aus ihm herausgeschnitten hatte, sodass nur noch eine hohle Hülle zurückblieb.
Nachdem Will gefrühstückt hatte, verstaute er die Stele wieder in der Satteltasche, streifte sein zerrissenes Hemd ab und zog ein sauberes über. Dabei fiel sein Blick unwillkürlich auf die Parabatai rune auf seiner Brust.
Sie war nicht länger schwarz, sondern silberweiß, wie eine längst verblasste Narbe. Will konnte Jems Stimme in seinem Kopf hören, ruhig und ernst und vertraut: »Und da … verband sich das Herz Jonathans mit dem Herzen Davids und Jonathan gewann ihn lieb wie sein eigen Herz…Und Jonathan und David machten einen Bund miteinander; denn er hatte ihn lieb wie sein eigen Herz.« Die beiden waren Krieger und ihre Seelen wurden vom Himmel miteinander verwoben. Von dieser Begebenheit übernahm Jonathan Shadowhunter die Idee der Parabatai und verankerte die Zeremonie im Gesetz.
Viele Jahre lang waren dieses Runenmal und Jems Gegenwart das Einzige in Wills Leben gewesen, das ihm die Gewissheit gegeben hatte, geliebt zu werden – das Einzige, das ihm versicherte, dass er wirklich lebte und existierte. Vorsichtig fuhr er mit den Fingerspitzen über die Ränder der verblassten Parabatai rune. Will hatte angenommen, er würde ihren Anblick bei Tageslicht hassen, doch zu seiner Überraschung musste er feststellen, dass dies nicht zutraf. Im Gegenteil: Er war froh, dass die Rune nicht einfach von seiner Haut verschwunden war. Ein Runenmal, das von einem Verlust zeugte, war immer noch ein Zeichen – ein Zeichen der Erinnerung. Wäre es vollständig verblasst gewesen, dann wäre das so, als hätte dieses Band zwischen Jem und ihm nie bestanden.
Will holte das Messer hervor, das Jem ihm gegeben hatte: eine schmale Klinge mit einem kunstvoll verzierten Heft aus Silber. Dann ritzte er sich im Schatten der Eiche die Handfläche auf und beobachtete, wie das Blut herabtropfte und die
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