Clockwork Princess: Chroniken der Schattenjäger (3) (German Edition)
Engel, der sie mit seinem Licht umhüllte. Nur dieser kalte Raum, die langsam vordringende Dunkelheit und der Klockwerk-Engel, der beständig tickte und die Minuten bis zum Ende dieser Welt zählte.
Will stand auf dem Gipfel des Cadair Idris, die Zügel seines Pferds fest in der Hand.
Als er in Richtung Dolgellau geritten war, hatte er die massive Wand des Cadair Idris über dem Mündungsgebiet des Mawddach aufragen sehen. Der Anblick hatte ihm kurz den Atem verschlagen – er war daheim. Während seiner Kindheit war er viele Male mit seinem Vater auf diese Berge gestiegen und die damit verbundenen Erinnerungen waren zurückgekehrt, als er die Straße, die von Dinas Mawddwy weiterführte, verlassen und auf Balios’ Rücken höheres Gelände erklommen hatte. Ihr Weg hatte durch einen unkrautumwucherten Bergsee geführt – in der Ferne schimmerten die silbernen Wogen des Meers und in der anderen Richtung ragte der Snowdon auf – bis hinauf zum Tal von Nant Cadair. Darunter lag die Ortschaft Dolgellau mit funkelnden Lichtern – ein pittoresker Anblick, aber Will war nicht hergekommen, um die Aussicht zu bewundern. Dank der Nachtsichtrune, mit der er sich versehen hatte, konnte er die zahlreichen Spuren der Klockwerk-Kreaturen zurückverfolgen. Der Boden war förmlich aufgerissen an den Stellen, an denen sie den Berg hinabgestiegen waren, sodass Will ohne große Mühe, aber mit klopfendem Herzen dem Pfad der Zerstörung in Richtung Gipfel folgte.
Die Spuren führten an einem Haufen gewaltiger Findlinge vorbei, auch als Moräne bezeichnet, wie Will sich erinnerte. Die Felsbrocken bildeten eine Art Wall, der Cwm Cau schützte, ein kleines Tal oberhalb des Bergs, in dessen Zentrum Llyn Cau lag, ein klarer Gletschersee. Die Fußstapfen der Klockwerk-Armee führten zum Rand des Sees …
Und verschwanden.
Will blickte hinab auf die klaren, kalten Fluten. Er erinnerte sich an den atemberaubenden Anblick, den diese Landschaft bei Tageslicht bot: der tiefblaue Llyn Cau, eingerahmt von grünem Gras, und die Sonne auf den zerklüfteten Spitzen des Mynydd Pencoed – der Höhenrücken, der den See umgab. Will fühlte sich unendlich weit von London entfernt.
Das Spiegelbild des Monds glitzerte ihm von der Oberfläche des Sees entgegen. Will seufzte. Das Wasser schwappte sanft ans Ufer, konnte aber die Spuren der Automaten nicht tilgen. Es war offensichtlich, dass sie genau von hier gekommen sein mussten. Will drehte sich um und tätschelte Balios’ Hals. »Warte hier auf mich«, sagte er. »Und falls ich nicht zurückkehre, lauf zum Institut zurück. Sie werden froh sein, dich wiederzusehen, alter Knabe.«
Balios wieherte leise und knabberte an seinem Ärmel, doch Will holte tief Luft und watete in den Llyn Cau hinein. Die kalten Fluten schwappten über seine Stiefel, schlugen gegen seine Hosenbeine und drangen sofort durch das Gewebe. Der Schock der Kälte ließ ihn nach Luft schnappen.
»Und wieder nass«, bemerkte er mürrisch und tauchte dann in die eisigen Fluten des Sees. Das Wasser schien ihn hinabzuziehen wie Treibsand – und Will hatte kaum Zeit, Luft zu holen, ehe die Kälte ihn in die Dunkelheit hinabriss.
Adressat: Charlotte Branwell
Absender: Konsul Wayland
Mrs Branwell,
Sie sind mit sofortiger Wirkung Ihres Amtes als Leiterin des Londoner Instituts enthoben. Ich könnte jetzt von meiner Enttäuschung reden oder dem Vertrauensbund, der zwischen uns einst bestand und nun zerbrochen ist, doch angesichts des Ausmaßes Ihres Verrats sind Worte sinnlos. Ich erwarte, dass Sie und Ihr Ehemann bei meiner morgigen Ankunft in London das Institut bereits verlassen und alle persönlichen Besitztümer entfernt haben. Jede Zuwiderhandlung wird mit der größtmöglichen Härte des Gesetzes bestraft werden.
Josiah Wayland, Konsul der Nephilimgemeinschaft
19
U ND BRENNEN
Ich werde dich versengen, ich werde dich verbrennen.
Auch wenn mir die Verdammnis gewiss ist, so werden wir
das Lager teilen und brennen.
C HARLOTTE M EW , »N UNHEAD C EMETERY «
Die Dunkelheit dauerte nur wenige Momente. Die eisigen Fluten zogen Will in die Tiefe und dann stürzte er in freiem Fall. Rasch krümmte er sich zusammen, als der Boden des Sees sich ihm auch schon entgegenhob … Einen Sekundenbruchteil später schlug er so heftig auf dem Grund auf, dass der Aufprall ihm die Luft aus den Lungen presste.
Keuchend rollte er sich auf den Bauch und stemmte sich auf die Knie. Wasser strömte aus seinen Haaren und seiner Kleidung. Er
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