Clockwork Princess: Chroniken der Schattenjäger (3) (German Edition)
Die Wucht der Treffer hatte einige der Automaten zurückgeworfen, aber nicht handlungsunfähig gemacht. Sie waren unvermindert auf den Mann zugesteuert, hatten ihm die Waffe aus den Händen geschlagen und ihn auf das Kopfsteinpflaster gestoßen.
Und dann hatten sie ihn in Stücke gerissen.
»Dämonen«, hatte Mortmain gemurmelt. »Sie sind wie wilde Bestien und lieben die Zerstörung.«
»Bitte«, hatte Tessa erstickt gefleht. »Aufhören, bitte. Ich tue alles, was von mir verlangt wird, damit sie nur aufhören und das Dorf verschonen.«
Mortmain hatte nur trocken gelacht. »Klockwerk-Kreaturen haben kein Herz, Miss Gray. Und sie kennen kein Erbarmen, nicht mehr und nicht weniger als Feuer oder Wasser. Genauso gut könnten Sie eine Feuersbrunst oder eine Flut anflehen, ihr zerstörerisches Werk einzustellen.«
»Ich bitte nicht die Dämonen«, hatte Tessa erwidert und gleichzeitig aus dem Augenwinkel ein schwarzes Pferd wahrgenommen, das mit einem Reiter auf dem Rücken aus dem Dorf preschte. Hoffentlich jemand, der dem Gemetzel entkam, hatte sie stumm gebetet. »Ich flehe Sie an.«
Daraufhin hatte Mortmain seine kalten, leeren Augen auf Tessa geheftet. »Auch mein Herz kennt kein Erbarmen. Sie haben schon zuvor an mein besseres Ich zu appellieren versucht. Darum habe ich Sie auch hierher bringen lassen: um Ihnen die Sinnlosigkeit dieser lästigen Bemühungen zu verdeutlichen. Ich besitze kein besseres Ich, an das Sie appellieren können – man hat es mir schon vor Jahren restlos herausgebrannt.«
»Aber ich habe doch alles getan, was Sie verlangt haben«, hatte Tessa verzweifelt protestiert. »Für diese Aktion besteht doch gar kein Anlass … ich gebe Ihnen bestimmt keinen Grund …«
»Das Ganze geschieht nicht Ihretwegen«, hatte er entgegnet und den Blick wieder auf seine Kreaturen geheftet. »Die Automaten mussten getestet werden, bevor ich sie in eine Schlacht schicken kann. Ein simpler wissenschaftlicher Test. Sie verfügen nun über Intelligenz. Die Fähigkeit zum strategischen Denken. Nichts kann sich ihnen jetzt noch in den Weg stellen.«
»Dann werden sie sich bestimmt auch gegen Sie wenden.«
»Das werden sie nicht. Ihr Leben ist mit meinem verknüpft. Wenn ich sterbe, werden auch sie vernichtet. Deshalb müssen sie mich beschützen, um selbst weiterexistieren zu können.« Seine Augen hatten kalt und geistesabwesend in die Ferne geblickt. »Doch genug davon. Ich habe Sie hierher gebracht, um Ihnen zu zeigen, dass ich nun einmal bin, wie ich bin. Und Sie werden das akzeptieren. Ihr Klockwerk-Engel schützt zwar Ihr Leben, aber das Leben vieler anderer Unschuldiger liegt in meinen Händen – in Ihren Händen. Stellen Sie meine Geduld nicht auf die Probe, dann wird es auch kein zweites Dorf geben, das wie dieses dem Erdboden gleichgemacht wird. Ich wünsche, von Ihnen keine weiteren ermüdenden Proteste zu hören.«
Ihr Klockwerk-Engel schützt Ihr Leben. Tessa legte die Hand um den Anhänger und spürte das vertraute Ticken unter ihren Fingerspitzen. Sie schloss die Augen, doch die schrecklichen Bilder wollten nicht weichen. In Gedanken sah sie die Nephilim vor sich, hilflos den Automaten ausgeliefert so wie die Dorfbewohner: Jem von Klockwerk-Monstern gevierteilt, Will von Klingen durchbohrt, Henry und Charlotte lichterloh brennend …
Tessa schloss die Hand fest um den Engel, riss ihn sich mit einem Ruck vom Hals und schleuderte ihn auf den unebenen Felsboden, während im selben Moment ein Holzscheit im Kamin verrutschte und einen roten Funkenhagel in alle Richtungen schickte. Im flackernden Schein der Flammen sah Tessa ihre linke Handfläche – die blasse Narbe der Brandwunde, die sie sich selbst zugefügt hatte, an jenem Tag, als sie Will von ihrer Verlobung mit Jem erzählt hatte.
Und genau wie damals griff ihre Hand auch dieses Mal zum Schürhaken. Sie hob ihn an, fühlte sein Gewicht in ihrer Hand. Das erwachte Feuer im Kamin schlug nun hohe Flammen. Tessa sah die Welt wie durch einen goldenen Schleier, als sie den Schürhaken hob und mit Wucht auf den Klockwerk-Engel herabfahren ließ.
Obwohl der Schürhaken aus Eisen geschmiedet war, zerbarst er zu feinem Metallstaub – eine Wolke schimmernder Partikel, die auf den Boden herabrieselte und die Oberfläche des Klockwerk-Engels bedeckte, der unberührt und unversehrt vor Tessa auf dem Boden lag.
Und dann begann der Engel, seine Gestalt zu verändern. Seine Schwingen bebten und seine Lider öffneten sich einen Spalt. Darunter
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