Clockwork Princess: Chroniken der Schattenjäger (3) (German Edition)
Herz,
Und wer außer Lady Greensleeves?«
»Nun mag der Himmel Kartoffeln regnen«, sagte eine nachdenkliche Stimme. »›Er mag donnern nach der Melodie von Greensleeves‹.«
Tessa zuckte zusammen und drehte sich um. Will war geräuschlos neben ihr aufgetaucht, was verblüffend und auch ein bisschen ärgerlich war, weil sie die ganze Zeit vergebens nach ihm Ausschau gehalten hatte. Er trug einen Abendanzug in Blau, Schwarz und Weiß und wie üblich raubte ihr sein Anblick auch dieses Mal den Atem, doch sie kaschierte ihr pochendes Herz mit einem Lächeln. »Shakespeare«, sagte sie. »Die lustigen Weiber von Windsor.«
»Nicht gerade eines seiner besten Stücke«, bemerkte Will und betrachtete sie eingehend aus seinen blauen Augen. Tessa hatte sich für ein rosarotes Seidenkleid entschieden, ohne jeden Schmuck, bis auf ein Samtband, das sich zweimal um ihren Hals wand und über ihren Rücken herabhing. Sophie hatte ihr die Haare gemacht – als einen persönlichen Gefallen und nicht länger in ihrer ehemaligen Funktion als Dienstmädchen – und kleine weiße Beeren zwischen die hochgesteckten Locken geflochten. Tessa fühlte sich sehr elegant und äußerst attraktiv. »Obwohl es durchaus seine Momente hat«, fügte Will hinzu.
»Ganz der Literaturkritiker«, seufzte Tessa, riss ihren Blick dann von ihm los und schaute hinüber zur anderen Seite des Saals, wo Charlotte sich mit einem groß gewachsenen hellblonden Mann unterhielt, den Tessa nicht kannte.
Will beugte sich zu ihr hinab; ein grüner, leicht winterlicher Duft nach Tannen oder Zypressen umgab ihn. »Das sind Mistelzweigbeeren in deinen Haaren«, raunte er und sein warmer Atem streifte über Tessas Wange. »Genau genommen bedeutet das, dass jedermann dich jederzeit küssen darf.«
Mit großen Augen schaute Tessa ihn an. »Das wird doch nicht wirklich jemand versuchen, oder?«
Behutsam berührte Will ihre Wange; obwohl er weiße Chamoishandschuhe trug, hatte Tessa das Gefühl, als würde sie seine nackte Haut spüren. »Ich würde jeden töten, der es auch nur wagt.«
»Nun ja«, meinte Tessa. »Das wäre schließlich nicht das erste Mal, dass du zu Weihnachten etwas Skandalöses tust, oder?«
Will hielt einen Moment inne und grinste dann jenes selten gewordene, breite Lächeln, das sein ganzes Gesicht aufleuchten ließ und ihm eine völlig andere Ausstrahlung verlieh. Es war ein Lächeln, von dem Tessa schon gefürchtet hatte, Will hätte es gänzlich verloren … als wäre es mit Jem in der Dunkelheit der Stillen Stadt verschwunden. Jem war nicht tot, doch ein Teil von Will war mit ihm gegangen – ein Teil aus Wills Herzen, der nun in der Finsternis unter den wispernden Gebeinen begraben lag. In der ersten Woche nach Jems Abschied hatte Tessa sich Sorgen gemacht, dass Will sich von diesem Schlag nicht mehr erholen würde, dass er von jetzt an wie ein rastloser Geist durch das Institut wandern würde, nichts essen und weiterhin versuchen würde, mit seinem Freund zu sprechen – nur um sich dann daran zu erinnern, dass dieser nicht mehr da war, woraufhin das Licht in Wills Augen erlosch und er verstummte.
Aber Tessa hatte einen Entschluss gefasst: Obwohl auch ihr Herz gebrochen war, glaubte sie fest daran, wenn sie Wills gebrochenes Herz heilen konnte, würde das auch ihren eigenen Schmerz lindern. Als sie wieder zu Kräften gekommen war, hatte sie sich darangemacht, Will Tee zu bringen (den er nicht wollte) und Bücher (die er sehr gern wollte). Und sie hatte ihn hin und her gescheucht, durch das ganze Institut, vom Bibliothekszimmer bis hinauf in den Fechtsaal, um ihr beim Training zu helfen. Außerdem hatte sie Charlotte aufgefordert, ihn nicht länger wie empfindliches Glas zu behandeln, das jeden Moment zerbrechen konnte. Stattdessen sollte sie ihn zu Kampfeinsätzen in die Stadt schicken, so wie früher, mit Gabriel oder Gideon an seiner Seite statt Jem. Charlotte war Tessas Bitte nachgekommen, wenn auch mit einem mulmigen Gefühl im Magen. Doch als Will von diesen Einsätzen zum Institut zurückkehrte, war er zwar mit Schnittwunden und Blutergüssen übersät gewesen, aber seine Augen hatten wieder gestrahlt.
»Das war sehr klug«, meinte Cecily später, als Tessa und sie am Fenster standen und zusahen, wie Will und Gabriel sich im Innenhof unterhielten. »Das Schattenjägerdasein gibt meinem Bruder wieder eine Aufgabe. Die Dämonenjagd wird seine Wunden heilen. Die Dämonenjagd und du.«
Nachdenklich ließ Tessa den Vorhang vor das
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