Clockwork Princess: Chroniken der Schattenjäger (3) (German Edition)
ist sie nicht in der Verfassung, allein zu leben. Zwei Monate ständiger Verhöre in der Gebeinstadt haben sie an den Rand des Wahnsinns getrieben. Ich denke nicht, dass sie für irgendeinen von uns noch eine Gefahr darstellt.«
»Das haben wir vorher auch nicht gedacht«, warf Jem ein – mit einer Härte in der Stimme, die Tessa von ihm nicht erwartet hätte. »Und dennoch war sie dafür verantwortlich, dass Tessa beinahe in Mortmains Hände und wir anderen in Ungnade gefallen wären.«
Charlotte schüttelte den Kopf. »Hier sind Mitleid und Menschlichkeit angebracht. Jessamine ist nicht mehr das Mädchen, das sie einmal war – wie jeder von euch wüsste, wenn ihr sie in der Stadt der Stille besucht hättet.«
»Ich habe keine Lust, meine Zeit mit Besuchen bei Verrätern zu vergeuden«, entgegnete Will kalt. »Hat sie noch immer diesen Unsinn dahergeplappert, dass Mortmain sich in Idris befindet?«
»Ja … deshalb haben die Stillen Brüder schließlich aufgegeben; sie konnten keinen vernünftigen Satz aus Jessamine herausbekommen. Das Mädchen hat keine Geheimnisse und weiß nichts, was auch nur annähernd von Bedeutung wäre. Und das ist ihr auch bewusst. Sie fühlt sich vollkommen wertlos. Wenn ihr euch doch nur in ihre Lage versetzen könntet …«
»Ich bezweifle nicht, dass sie für dich ein großartiges Schauspiel aufgeführt hat, Charlotte. Bestimmt war sie in Tränen aufgelöst und hat sich vor lauter Kummer die Kleidung zerrissen …«
»Nun ja, wenn sie schon ihre Kleidung zerreißt«, bemerkte Jem und schenkte seinem Parabatai ein kurzes Lächeln. »Du weißt ja, wie sehr Jessamine an ihrer Garderobe hängt.«
Will musste widerstrebend grinsen und Charlotte erkannte ihre Chance: »Ihr werdet sie nicht wiedererkennen, das versichere ich euch«, sagte sie. »Gebt ihr eine Woche, nur eine einzige Woche. Und wenn ihr sie dann noch immer nicht hier im Institut ertragen könnt, werde ich dafür sorgen, dass sie nach Idris gebracht wird.« Entschlossen schob sie ihren Teller fort. »So, und jetzt zu den Abschriften, die ich von Benedicts Unterlagen gemacht habe. Wer hilft mir dabei, sie durchzusehen?«
Adressat: Konsul Josiah Wayland
Absender: Die Kongregation
Verehrter Konsul,
bis zum Empfang Ihres letzten Schreibens waren wir der Überzeugung, dass es sich bei unseren Differenzen in Bezug auf Charlotte Branwell lediglich um unterschiedliche Ansichten handeln würde. Auch wenn Sie keine ausdrückliche Erlaubnis zur Verlegung der jungen Miss Lovelace ins Institut gegeben haben mögen, so wurde diese Genehmigung doch von der Bruderschaft erteilt, die für derartige Angelegenheiten schließlich zuständig ist. Es erschien uns als eine großzügige Geste, dem Mädchen zu gestatten, in das einzige ihr bekannte Zuhause zurückzukehren, ungeachtet ihrer Vergehen. Und was Woolsey Scott anbelangt, so sollten Sie wissen, dass er die Praetor Lupus anführt, eine Organisation, die wir seit vielen Jahren als Verbündete erachten.
Ihre Unterstellung, dass Mrs Branwell Kräften Gehör schenkt, die der Gemeinschaft der Nephilim feindlich gesinnt sind, ist zutiefst beunruhigend. Aber ohne einen Beweis widerstrebt es uns, auf Basis dieser Informationen weitere Schritte einzuleiten.
Im Namen des Erzengels
Die Kongregation
Die Kutsche des Konsuls war ein eleganter roter Glaslandauer mit fünf Fensterscheiben, der von einem Paar makelloser Grauschimmel gezogen wurde. Auf den Seiten prangte das Emblem der Nephilim – vier Mal der Buchstabe C. Wegen des feinen Nieselregens war der Kutscher tief in seinen Sitz gerutscht, sodass er in seinem gewachsten Kutschermantel und Hut fast zu verschwinden schien. Mit einem finsteren Blick forderte der Konsul, der seit Verlassen des Speisezimmers kein Wort gesagt hatte, die Lightwood-Brüder auf, in die Kutsche zu klettern. Dann stieg er ebenfalls ein und zog den Kutschschlag zu.
Als sich der Landauer in Bewegung setzte, drehte Gabriel sich zum Fenster und starrte hinaus. Hinter seinen Augen hatte sich wieder dieses Brennen bemerkbar gemacht, das seit dem Vortag kam und ging und ihn manchmal so zu überwältigen drohte, dass er das Gefühl hatte, sich jeden Moment übergeben zu müssen.
Ein gigantischer Wurm … im letzten Stadium von Astriola … die Dämonenpocken.
Als Charlotte und die anderen das erste Mal Vorwürfe gegen seinen Vater erhoben hatten, da hatte er ihnen nicht glauben wollen. Gideons Treuebruch war ihm wie ein Anfall von Wahnsinn erschienen – ein derartig
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