Clockwork Princess: Chroniken der Schattenjäger (3) (German Edition)
begrüßen.«
Jessamines Rückkehr, die in vielerlei Hinsicht recht ungelegen kam, erwies sich in diesem Moment als hervorragende Ablenkung. Es entstand eine leichte Unruhe im Raum, als alle sich zum Gehen wandten. Nur Gabriel und Cecily schauten sich etwas verwundert um, da beide nicht genau verstanden, wer Jessamine war und welche Rolle sie im Institut gespielt hatte. Ungeordnet strömten alle aus dem Speisezimmer und in den Korridor. Tessa allerdings blieb etwas zurück – sie fühlte sich irgendwie kurzatmig, als wäre ihr Korsett zu eng geschnürt. Ihre Gedanken kehrten zur Nacht zuvor zurück, als sie Jem im Musikraum in den Armen gehalten hatte. Als sie sich geküsst und im Flüsterton stundenlang Pläne für ihre Hochzeit geschmiedet und über ihre darauf folgende Ehe gesprochen hatten – so, als bliebe ihnen alle Zeit der Welt. Als würde ihre Heirat Jem Unsterblichkeit verleihen, obwohl Tessa genau wusste, dass das nicht der Fall war.
Als sie gedankenverloren die erste Stufe zur Eingangshalle hinunterstieg, verfing sich ihr Absatz im Teppich und sie strauchelte. Doch sofort war eine Hand zur Stelle, die sie auffing und stützte. Als Tessa aufschaute, entdeckte sie Will neben sich.
Einen Moment lang standen sie beide nur da, reglos wie zwei Statuen. Die anderen hatten bereits den Treppenfuß erreicht und ihre Stimmen drangen wie aus weiter Ferne zu ihnen. Wills Hand lag leicht auf Tessas Arm, obwohl sein Gesicht fast vollkommen ausdruckslos wirkte, als wäre es aus Granit gemeißelt.
»Du denkst doch nicht so wie die anderen, oder?«, fragte Tessa schärfer als beabsichtigt. »Dass ich Jem nicht schon heute heiraten sollte. Du hast mich einmal gefragt, ob ich ihn genügend liebe, um ihn zu heiraten und ihn glücklich zu machen, und das tue ich. Ich weiß nicht, ob ich ihn in jeder Hinsicht glücklich machen werde, aber ich kann es zumindest versuchen.«
»Wenn irgendjemand dazu in der Lage ist, dann du«, sagte Will und schaute ihr tief in die Augen.
»Die anderen scheinen zu glauben, ich würde mich wegen Jems Gesundheitszustand irgendwelchen Illusionen hingeben.«
»Hoffnung ist keine Illusion.«
Seine Worte klangen ermutigend, doch in seiner Stimme schwang noch etwas anderes mit – etwas so Tonloses, dass es Tessa Angst einjagte.
»Will.« Sie griff nach seinem Handgelenk und hielt ihn zurück. »Du wirst mich doch nicht jetzt im Stich lassen, oder? Und mich als Einzige weiterhin nach einem Heilmittel suchen lassen? Ohne dich schaffe ich das nicht.«
Will holte tief Luft und senkte die Lider. »Natürlich nicht. Ich würde Jem niemals im Stich lassen. Oder dich. Ich werde weiterhin helfen. Weiterhin suchen. Es ist nur so …« Er verstummte und wandte das Gesicht ab. Das Licht, das durch das Fenster hoch oben in der Wand fiel, beleuchtete seine Wange, sein Kinn und die geschwungene Kontur seines Kiefers.
»Es ist nur was?«
»Du erinnerst dich sicher daran, was ich an jenem Tag im Salon noch gesagt habe«, setzte er zögernd an. »Ich möchte, dass du glücklich bist und dass Jem glücklich ist. Und dennoch … wenn du zum Altar gehst, um dich für immer mit ihm zu verbinden, dann läufst du dabei auch über einen unsichtbaren Scherbenhaufen – die Scherben meines Herzens, Tessa. Ich würde mein Leben für jeden von euch beiden geben. Ich würde mein Leben für euer Glück geben. Nachdem du mir gesagt hattest, du würdest mich nicht lieben, da habe ich zuerst gedacht, meine Gefühle würden nachlassen und schließlich ganz verschwinden. Doch das ist nicht passiert. Stattdessen sind sie nur noch gewachsen. Ich liebe dich jetzt, in diesem Moment, leidenschaftlicher als je zuvor. Und in einer Stunde werde ich dich sogar noch mehr lieben. Ich weiß, es ist unfair, dir das zu sagen, wo du doch nichts dagegen tun kannst.« Gequält holte er Luft. »Wie sehr du mich verachten musst.«
Tessa hatte das Gefühl, als hätte sich der Boden unter ihren Füßen aufgetan. Sie erinnerte sich daran, was sie sich in der Nacht zuvor einzureden versucht hatte: Wills Gefühle für sie mussten doch sicher verblasst sein. Im Laufe der Jahre würde sein Schmerz nachlassen und dann geringer sein als ihr eigener. Und sie hatte es tatsächlich geglaubt. Doch nun … »Ich verachte dich ganz und gar nicht, Will. Du hast immer nur ehrenhaft gehandelt – ehrenhafter, als ich es jemals von dir hätte verlangen können …«
»Nein«, sagte Will bitter. »Ich denke, du hast nichts von mir erwartet.«
»Ich habe alles
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