Clockwork Princess: Chroniken der Schattenjäger (3) (German Edition)
hatte. Doch auch das konnte ihn nicht aufhalten. Als er mit seinem zweiten, spatelförmigen und klauenartigem Arm nach Charlotte griff, stürmte Tessa zwischen die beiden und schwang ihr Schwert auf eine Weise, die Gideon ihr beigebracht hatte: Sie legte ihren ganzen Körper in den Schwung und führte die Waffe von oben herab, um ihrem Hieb mithilfe der Schwerkraft mehr Wucht zu verleihen.
Die Klinge sauste herab und trennte den zweiten Arm glatt ab. Dieses Mal schoss schwarze Flüssigkeit in einem Schwall aus der Wunde. Unbeeindruckt steuerte der Automat weiter auf Charlotte zu und senkte den Kopf, um sie mit dem Scheitel, aus dem eine kurze Klinge herausragte, erneut anzugreifen. Sie schrie auf, als die Klinge ihren Oberarm streifte, dann ließ sie die Peitsche durch die Luft knallen und der silbergoldene Elektrumdraht wickelte sich eng um die Kehle der Kreatur. Charlotte zog scharf an der Peitsche, woraufhin der Schädel abgetrennt wurde und herabfiel. Endlich ging der Automat zu Boden und eine dunkle, ölige Flüssigkeit strömte aus den diversen Öffnungen seines Metallkorpus.
Schnaufend warf Tessa den Kopf in den Nacken. Ihre Haare klebten ihr feucht an Stirn und Schläfen, doch sie konnte sie nicht beiseitewischen, weil sie beide Hände für das schwere Schwert benötigte. Blinzelnd und mit brennenden Augen sah sie, dass Gabriel und Gideon ihren Automaten zu Fall gebracht hatten und wütend auf ihn einschlugen. Dahinter duckte Henry sich gerade noch rechtzeitig, um dem Hieb der Kreatur auszuweichen, die ihn gegen die Kutsche drängte. Die keulenartige Metallhand schlug durch die Fensterscheibe und ein Hagel aus Glassplittern ergoss sich über Jessamine, die aufschrie. Gleichzeitig riss Henry seine Seraphklinge hoch und rammte sie dem Automaten in die Brust. Tessa erwartete, dass sich die Klinge wie bei Dämonen durch den Rumpf hindurchbrennen und sich die Kreatur in Luft auflösen würde. Doch der Automat schwankte nur kurz und griff dann erneut an, mit der leuchtenden Seraphklinge in der Brust, die wie eine Fackel brannte.
Mit einem wütenden Schrei stürmte Charlotte die Stufen hinunter, in Richtung ihres Ehemanns. Hektisch schaute Tessa sich um – doch Jem war nirgends zu sehen. Ihr Herz krampfte sich zusammen und sie machte einen Schritt vorwärts …
… als sich eine dunkle, ganz in Schwarz gekleidete Gestalt vor ihr aufbaute. Schwarze Handschuhe bedeckten die Hände, die Füße steckten in schwarzen Stiefeln. Tessa sah nur ein schneeweißes Gesicht, umrahmt von den Falten einer schwarzen Kapuze: ein Gesicht so vertraut und schrecklich wie ein wiederkehrender Albtraum.
»Hallo, Miss Gray«, sagte Mrs Black.
Obwohl Will in jedem erdenklichen Raum des Instituts nachgesehen hatte, war es ihm nicht gelungen, Cyril zu finden. Er war schon den ganzen Tag in gereizter Stimmung, die sich durch die vergebliche Suche nach dem jungen Kutscher nicht unbedingt verbessert hatte – und auch nicht durch die Begegnung mit Tessa auf der Treppe. Nachdem er sich zwei Monate lang in ihrer Gegenwart aufs Äußerste beherrscht gezeigt hatte, waren seine Gefühle aus ihm herausgeplatzt wie ein Schwall Blut aus einer offenen Wunde und nur Charlottes Stimme in der Eingangshalle hatte ihn davor bewahrt, dass seine Dummheit in einer Katastrophe endete.
Trotzdem ließ ihm Tessas Antwort keine Ruhe, während er an der Küche vorbei- und weiter durch den Korridor lief. Es heißt, man könne sein Herz nicht teilen, und dennoch …
Und dennoch was? Was hatte Tessa ihm sagen wollen?
Bridgets Stimme drang aus dem Speisezimmer, wo sie zusammen mit Sophie die Reste des Frühstücks abräumte:
»›Oh mach mein Bette, Frau Mutter!‹, er sprach,
›Oh mach es tief und breit!
So schlaf ich gar einen langen Schlaf,
Lady Margaret mir zur Seit’!‹
In Mariä Kirche begruben sie ihn
Und sie in Mariä Chor,
Aus ihrem Grab sprosst’ ein Rosenstrauch,
Aus seinem ein Weißdorn hervor.
Sie fanden sich, sie umwanden sich,
Sie verschlangen sich immer aufs Neu’,
Dass alle Welt mocht erkennen,
Es waren zwei Liebende treu.«
Will fragte sich gedankenverloren, wie es Sophie gelang, sich zu beherrschen und Bridget nicht mit einem Teller auf den Kopf zu schlagen, als ihn ein heftiger Schock durchfuhr, als hätte ihn etwas in die Brust getroffen. Keuchend taumelte er gegen die Wand und griff sich mit der Hand an die Kehle. Dort konnte er etwas schlagen spüren, wie ein zweites Herz neben seinem eigenen. Die Kette, die Magnus ihm gegeben
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