Clockwork Princess: Chroniken der Schattenjäger (3) (German Edition)
lediglich seinen Hut auf, der seine Züge verdeckte. »Das ist das Risiko eines Konsuls, Charlotte.«
Blut. Blut auf den Steinplatten im Innenhof. Blut auf der Treppe zum Haus. Blut auf den Blättern im Garten. Trocknende Blutlachen mit den Überresten desjenigen, der einmal sein Schwager gewesen war. Ein heißer Blutstrahl, der sich auf Gabriels Kampfmontur ergoss, als sich der von ihm abgeschossene Pfeil in das Auge seines Vaters bohrte …
»Bedauerst du deine Entscheidung, hier im Institut zu bleiben, Gabriel?« Die kühle, vertraute Stimme riss Gabriel aus seinen fiebrigen Gedanken und er schaute erschrocken hoch.
Der Konsul ragte vor ihm auf, seine Silhouette von der fahlen Sonne umrissen, die durch den Nebel drang. Er trug einen schweren Mantel und Handschuhe und auf seinem Gesicht zeichnete sich ein belustigter Ausdruck ab – als hätte Gabriel irgendetwas getan, das ihn amüsierte.
»Ich …«, setzte Gabriel an, hielt dann aber inne und zwang sich zu einem gleichmütigen Ton: »Nein, natürlich nicht.«
Spöttisch zog Wayland eine Augenbraue hoch. »Wahrscheinlich kauerst du deshalb hier hinten, in blutverschmierter Kleidung, und erweckst den Eindruck, als wolltest du nur ja nicht gefunden werden.«
Gabriel rappelte sich auf, dankbar für die harte Mauer hinter ihm, an der er sich abstützen konnte. Wütend funkelte er den Konsul an. »Wollen Sie damit etwa andeuten, dass ich nicht gekämpft hätte? Dass ich weggelaufen wäre?«
»Ich will nichts dergleichen andeuten«, erwiderte der Konsul mild. »Ich weiß, dass du gekämpft hast. Und dass dein Bruder verwundet wurde …«
Gequält schnappte Gabriel nach Luft, woraufhin sich Waylands Augen zu Schlitzen verengten.
»Aha«, sagte er. »Das ist es also. Du hast deinen Vater sterben sehen und hast gedacht, du müsstest nun miterleben, wie auch dein Bruder vor deinen Augen stirbt, richtig?«
Gabriel hätte dem Konsul am liebsten die theatralische, falsche Anteilnahme aus dem Gesicht geschlagen. Er wünschte sich nichts lieber, als nach oben zu seinem Bruder zu laufen, sich vor dessen Bett zu werfen und das Zimmer nicht wieder zu verlassen – so wie Will sich geweigert hatte, von Jems Seite zu weichen, bis Gabriel ihn auf Cecilys Bitte hin dazu gezwungen hatte. Will war für Jem ein besserer Bruder als er für seinen eigenen Bruder Gideon, hatte Gabriel überlegt, und dabei waren die beiden nicht einmal miteinander verwandt. Dieser Gedanke hatte ihn aus dem Institut getrieben, zu seinem Versteck bei den Stallungen. Hier würde bestimmt niemand nach ihm suchen, hatte er sich eingeredet.
Doch er hatte sich geirrt. Andererseits hatte er sich schon so oft geirrt, dass es auf ein weiteres Mal auch nicht mehr ankam, oder?
»Du hast deinen Bruder bluten sehen«, fuhr der Konsul weiterhin in mildem Ton fort. »Und dich dann erinnert …«
»Ich habe meinen Vater getötet«, sagte Gabriel. »Ihm einen Pfeil durchs Auge geschossen … ich habe sein Blut vergossen. Glauben Sie ernsthaft, ich wüsste nicht, was das bedeutet? Sein Blut wird vom Erdboden her zu mir schreien, so wie Abels Blut zu Kain geschrien hat. Die anderen behaupten, er wäre nicht mehr mein Vater gewesen, aber er war trotzdem alles, was mir noch von ihm geblieben war. Er war einmal ein Lightwood. Und Gideon hätte heute ebenfalls getötet werden können. Ihn auch noch zu verlieren …«
»Verstehst du jetzt, was ich meinte, als ich von Charlotte sprach und ihrer Weigerung, sich an die Gesetze zu halten?«, fragte der Konsul. »Ihr Fehlverhalten, das den Verlust so vieler Leben herausfordert. Heute hätte das Leben deines eigenen Bruders ihrem maßlosem Stolz zum Opfer fallen können.«
»Sie erscheint mir nicht besonders stolz.«
»Habt ihr deshalb dieses Geschreibsel aufgesetzt?« Der Konsul zog den ersten Brief, den Gabriel und Gideon ihm geschickt hatten, aus der Manteltasche hervor, warf einen verächtlichen Blick darauf und ließ ihn zu Boden flattern. »Dieses lächerliche Schreiben, das darauf abzielen sollte, mich zu verärgern?«
»Und, hat es funktioniert?«
Einen kurzen Moment dachte Gabriel, Wayland würde ihm ins Gesicht schlagen. Doch der wütende Ausdruck verschwand blitzschnell wieder aus seinen Augen und er klang vollkommen ruhig, als er schließlich erwiderte: »Vermutlich hätte ich von einem Lightwood nicht erwarten dürfen, dass er auf Erpressung positiv reagiert. Dein Vater hätte das auch nicht getan. Ich muss gestehen, ich dachte, du wärst aus weniger hartem
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