Clockwork Princess: Chroniken der Schattenjäger (3) (German Edition)
dich hergebeten habe«, sagte er. »Aber vermutlich nicht aus der Überzeugung heraus, dass du irgendetwas für Jem tun könntest. Wahrscheinlich eher deshalb, weil ich annahm, dass du der Einzige bist, der es möglicherweise versteht.«
Überrascht blickte Magnus ihn an. »Der Einzige, der es möglicherweise versteht?«, wiederholte er verwundert.
»Du bist schon so lange auf dieser Welt«, erklärte Will. »Und du hast bestimmt schon so viele sterben sehen, so viele, die du geliebt hast. Dennoch hast du auch das überlebt und dein Leben fortgesetzt.«
Magnus schaute weiterhin erstaunt. »Du hast mich, einen Hexenmeister, ins Institut bestellt, und zwar unmittelbar nach einem Kampf, in dem du fast getötet worden wärst … um zu reden?«
»Ich habe festgestellt, dass ich mich mit dir gut unterhalten kann«, meinte Will. »Ich weiß nicht, wieso.«
Langsam schüttelte Magnus den Kopf und lehnte sich an den Bettpfosten. »Du bist so jung«, murmelte er. »Aber andererseits kann ich mich nicht erinnern, dass mich jemals ein Schattenjäger herbeigerufen hätte, um ihm während der langen Nachtstunden Gesellschaft zu leisten.«
»Ich weiß nicht, was ich tun soll«, räumte Will ein. »Mortmain hat Tessa entführt und ich glaube zu wissen, wo er sie versteckt hält. Ein Teil von mir würde nichts lieber tun, als sofort aufzubrechen und die Verfolgung aufzunehmen. Aber ich kann Jem nicht allein lassen. Ich habe einen Eid geschworen. Was wäre, wenn er mitten in der Nacht aufwacht und feststellen muss, dass ich nicht da bin?« Will wirkte so verloren wie ein kleines Kind. »Er wird denken, ich hätte ihn absichtlich allein gelassen und ich würde mich nicht darum scheren, dass er stirbt. Er wird den wahren Grund nicht kennen. Trotzdem: Wenn er reden könnte, würde er mich dann nicht bitten, Tessa zu helfen? Denn ist das nicht genau das, was er selbst auch tun würde?« Will ließ das Gesicht in die Hände sinken. »Ich kann es nicht sagen, und das zerreißt mir das Herz.«
Magnus betrachtete ihn schweigend. Nach einer Weile fragte er: »Weiß er, dass du Tessa liebst?«
»Nein.« Schockiert hob Will den Kopf. »Nein. Ich habe ihm gegenüber kein Wort darüber verloren. Schließlich konnte ich ihn unmöglich damit belasten.«
Magnus holte tief Luft und meinte leise: »Will. Du hast mich um meinen Rat gebeten – als jemanden, der schon viele Jahrhunderte gelebt und viele geliebte Personen begraben hat. Und ich kann dir eines versichern: Der Zweck eines Lebens ist die Summe der Liebe, die darin erlebt wurde … Welchen Eid du auch immer geschworen haben magst, deine Anwesenheit am Ende von Jems Leben ist nicht das, was wirklich zählt. Viel wichtiger ist, dass du während jedes anderen Augenblicks bei ihm gewesen bist. Seit eurer allerersten Begegnung hast du ihn nie im Stich gelassen und keine Sekunde lang nicht geliebt. Nur darauf kommt es wirklich an.«
»Du meinst das tatsächlich ernst«, sagte Will verwundert. Doch im nächsten Moment hakte er nach: »Warum bist du so nett zu mir? Ich schulde dir noch immer einen Gefallen, stimmt’s? Das habe ich nicht vergessen, auch wenn du nicht mehr davon gesprochen hast.«
»Hab ich das nicht?«, fragte Magnus und schenkte ihm dann ein Lächeln. »Will, du behandelst mich wie ein menschliches Wesen, von Gleich zu Gleich…und Schattenjäger, die einen Hexenmeister auf diese Weise behandeln, sind rar. Ich bin nicht so herzlos, dass ich einen Gefallen von einem gebrochenen Jungen einfordern würde. Von einem Jungen, von dem ich übrigens glaube, dass er sich eines Tages zu einem bemerkenswerten Mann entwickeln wird. Also mache ich dir jetzt folgenden Vorschlag: Ich werde hierbleiben, solange du fort bist, und für dich über Jem wachen. Falls er aus dem Koma erwacht, werde ich ihm sagen, wohin du unterwegs bist und dass du das für ihn tust. Und ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um sein Leben zu retten: Ich mag zwar kein Yin Fen haben, aber mir steht die Magie zur Verfügung und vielleicht finde ich ja in irgendeinem alten Zauberbuch genau den Spruch, der ihm helfen kann.«
»Das würde ich als einen riesigen Gefallen werten«, sagte Will.
Magnus warf einen Blick auf Jem. Trauer beherrschte sein Gesicht, das sonst immer so vergnügt, süffisant oder unbekümmert wirkte – eine Trauer, die Will überraschte. »Denn jener Schmerz hatte mich so leicht und so tief durchdrungen, weil ich meine Seele gegründet hatte auf Sand, da ich einen Sterblichen liebte,
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