Clockwork Princess: Chroniken der Schattenjäger (3) (German Edition)
wirkte.
Jems Geige lehnte am Fuß des Betts, zusammen mit seinem Stockdegen, an dem noch immer Blut vom Kampf im Innenhof klebte. Jem lag vollkommen reglos da, leicht erhöht auf mehreren Kissen und mit totenbleichem Gesicht. Will hatte das Gefühl, als würde er ihn so sehen wie nach einer langen Abwesenheit – wie in jenem kurzen Moment, in dem man Veränderungen an einem vertrauten Gesicht wahrnimmt, bevor dieses wieder ein Teil der alltäglichen Umgebung wird. Jem wirkte so dünn … Wie hatte er das nur übersehen können, fragte Will sich. Er bestand nur noch aus Haut und Knochen; seine geschlossenen Lider schimmerten leicht bläulich und seine Schlüsselbeine standen hervor wie der Bug eines Schiffs.
Will machte sich schreckliche Vorwürfe. Wie hatte es ihm nur entgehen können, dass Jem sich mit Riesenschritten dem Tode näherte – so schnell, so bald? Wie hatte er den Schatten des Sensenmannes übersehen können?
»Will.«
Ein Flüstern drang von der Tür zu ihm. Bedrückt schaute er auf und entdeckte Charlotte.
Sie hatte den Kopf durch die Tür gesteckt und sagte leise: »Hier ist … hier ist jemand, der dich sprechen will.«
Will blinzelte verwundert, als Charlotte einen Schritt zur Seite ging und Magnus Bane den Raum betrat. Einen Moment lang wusste Will nicht, was er sagen sollte.
»Er meint, du hättest ihn herbestellt«, fuhr Charlotte skeptisch fort.
Magnus stand mit teilnahmsloser Miene im Raum. Er trug einen anthrazitfarbenen Anzug und streifte die dunkelgrauen Glacéhandschuhe langsam von den schlanken braunen Händen.
»Ich habe ihn tatsächlich herbestellt«, erklärte Will gedehnt, als würde er aus einem Traum erwachen. »Vielen Dank, Charlotte.«
Charlotte warf ihm einen Blick zu, eine Mischung aus Mitgefühl und der unausgesprochenen Botschaft: Auf deine eigene Verantwortung, Will Herondale . Dann verließ sie das Zimmer und zog die Tür fest hinter sich ins Schloss.
»Du bist gekommen«, sagte Will. Dabei entging ihm nicht, wie dumm das klang. Er hatte es noch nie leiden können, wenn Leute das Offensichtliche laut aussprachen, und dennoch stand er nun hier und tat genau das. Er konnte das Gefühl der Verunsicherung einfach nicht abschütteln. Magnus’ Anblick hier in Jems Zimmer war wie der Anblick eines Elbenritters inmitten einer Gruppe von Rechtsanwälten mit Roben und weißen Perücken, der zeremoniellen Kleidung am Old Bailey.
Magnus legte seine Handschuhe auf einem Beistelltisch ab und trat ans Bett. Dann stützte er sich mit einer Hand an einem der Bettpfosten ab und schaute auf Jem hinab, der so reglos und weiß wirkte, als wäre er aus Marmor gemeißelt. »James Carstairs«, murmelte er leise, als besäßen diese Worte eine beschwörende Wirkung.
»Er liegt im Sterben«, sagte Will.
»Daran besteht kein Zweifel.« Magnus’ Bemerkung hätte kalt klingen können, doch aus seiner Stimme sprach eine unendliche Traurigkeit – eine Traurigkeit, die Will nur allzu gut kannte. »Hattest du nicht gesagt, er hätte noch ein paar Tage, möglicherweise sogar eine ganze Woche?«, fragte Magnus.
»Sein Zustand hängt nicht nur mit dem Arzneimangel zusammen«, brachte Will krächzend hervor und räusperte sich. »Genau genommen hatten wir noch eine kleine Menge der Substanz und haben ihm etwas davon verabreicht. Aber heute Nachmittag hat hier im Innenhof ein Kampf stattgefunden, bei dem Jem viel Blut verloren hat. Wir befürchten, seine Kräfte reichen nicht mehr aus, um sich selbst zu heilen.«
Behutsam nahm Magnus Jems Hand und hob sie an. Blutergüsse schimmerten auf seinen bleichen Fingern und ein Geflecht blauer Adern erstreckte sich wie eine Flusskarte unter der Haut seines Handgelenks. »Hat er große Schmerzen?«
»Ich weiß es nicht.«
»Vielleicht wäre es besser, ihn sterben zu lassen.« Magnus schaute Will an; seine goldgrünen Augen leuchteten dunkel. »Jedes Leben ist endlich, Will. Und als du Jem zu deinem Parabatai gewählt hast, da wusstest du, dass er vor dir sterben würde.«
Will starrte stumm geradeaus. Er hatte das Gefühl, als würde er in einen dunklen Schacht stürzen – in einen Schacht ohne Boden und ohne Wände, an denen er sich hätte festhalten können, um seinen Sturz aufzufangen. »Wenn du meinst, es wäre das Beste für ihn«, murmelte er.
»Will.« Magnus’ Stimme besaß einen sanften, aber drängenden Ton. »Hast du mich herkommen lassen in der Hoffnung, ich könnte ihm helfen?«
Blind schaute Will auf. »Ich weiß nicht, warum ich
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