Cloudbusters und die Stadt der Schläfer (German Edition)
sagte: „Er macht mit seinem Mega-Smartphone Fotos vom Geldklau. Pseudo ist auch mit dabei.“ Dann bückte sie sich runter zu der Tasche mit dem Koffer und versuchte sie anzuheben: „Chong - die Tasche - der Koffer muss hier weg.“
Er begriff sofort und griff nach der Tasche.
„Warte - ich helfe dir.“
„Nein, so ist’s einfacher.“ Mit einer abrupten Bewegung hob Chong die Tasche auf. „Halt du mir nur den Weg frei.“
Gemeinsam, Milli voran, Chong mit Tasche hinterher, boxten sie sich bis zur Kirche durch und versteckten den Koffer hinter den Büschen.
Auf dem Rückweg sahen sie Seifert wieder. Er saß jetzt auf der kleinen Mauer vor der Kirche, neben sich den zusammengeknüllten Kapuzenpulli, und starrte mit leeren Augen auf den Dorfplatz. Einen Moment lang fürchtete Milli, er könnte sie erkennen, aber als sie vorbeigingen, hob er nicht mal den Kopf.
Den Bereich vor der Sparkasse hatte die Polizei abgeriegelt, und so hatte sich eine Traube von Schaulustigen gebildet, obwohl es tatsächlich nichts zu sehen gab. Und auf dem Rasen saß Ben, mit seinem Handy beschäftigt.
„Hast du, was du brauchst?“, sagte Milli und hockte sich neben ihn.
Er nickte und lächelte zufrieden, „alles im Kasten, wir können jetzt unter die Erpresser gehen.“
Von der Bühne herab beschwor ein Gewerkschaftssprecher das Publikum inständig aber erfolglos, das Geld an die Sparkasse zurückzugeben. Die Demonstration werde jetzt planmäßig fortgesetzt, kündigte er an. Die Demonstranten jubelten und klatschten. Die feindselige Stimmung war verflogen. Milli, Ben und Chong stellten sich vors Monsterauto und guckten zu, wie sich der Zug in Bewegung setzte. In der Ferne erklang ein Lied im Reggaetakt - sie lauschten dem Text:
Hey Leute, Politiker sollen unsere Diener sein, die Zeit der kleinen Napoleons geht nun vorbei. Hey Leute, die Macht liegt nur bei denen, die den wirklichen Bedürfnissen der Menschen dienen. Hey Leute, die Stimme des Volkes muss lauter werden - lauter werden - lauter werden. Gemeinsam kämpfen wir für echte Demokratie - für Gerechtigkeit und Frieden … wir sind das Volk, wir wollen mitbestimmen, wir sind das Volk. Hey Leute, Politiker sollen unsere Diener sein, die Zeit der kleinen Napoleons geht nun vorbei …
Das Koppelitzer Wochenblatt
„Wo ist eigentlich Anna abgeblieben?“, fragte Milli.
„Sie hat sich an diesem Praktikanten aus dem Iran festgequatscht“, Chong versuchte vergeblich, sich an seinen Namen zu erinnern, „egal. Sie kommt direkt zum Café.“
Als sie dort ankamen war Anna schon eine Weile da und hatte einen sicheren Platz im Keller organisiert, wo sie die Waffe bequem bunkern konnten. „Hier kommt garantiert niemand her“, erläuterte sie zuversichtlich.
Die Terrasse zum Koppelitzer See war geöffnet und voll besetzt, hauptsächlich ältere Leute und Mütter mit Kindern. Die Demo sollte auf dem Rückweg auf der Seestraße vorbei kommen, dann würde es noch voller werden.
Aber Anna hatte vorsorglich ein Schildchen mit „Reserviert“ auf ihrem Tisch aufgestellt und Gläser und Getränke verteilt. Und sie hatte die Reste des kalten Buffets requiriert, das es am Vormittag gegeben hatte, kleine Schnittchen mit Käse, Krabben, Gemüse und Wurst. Annas Mutter brachte ihnen dazu noch eine Schüssel Kartoffelsalat.
„Die Raketen waren schön laut“, sprach Milli mit vollem Mund. Sie hatte ein Schnittchen mit eingelegter Tomate, Kapern und Ziegenkäse erwischt.
„Uns haben alle möglichen Leute beim Abfeuern geholfen“, sagte Anna, „die waren ganz verrückt danach. Deswegen flogen die Raketen auch an so vielen unterschiedlichen Stellen in die Luft.“
„Das war schlau“, Chong tauchte seinen Tintenfischring in Remoulade und leckte sich die Finger, „so konnten die Bullen keinen Schuldigen ausmachen.“
Ben pulte die Krabben von seinem Schnittchen und schob sie sich einzeln in den Mund. Anna sah ihm dabei mit gerunzelter Stirn zu.
„Anfangs waren die Leute total lasch und deprimiert“, sagte Chong, „und plötzlich kam dann diese gewaltige Aggressivität auf.“
„Ja, Wahnsinn!“, rief Anna aus und schnitt eine Grimasse. „Ihr hättet Lucretia sehen sollen, die war wirklich daneben. Sie hat sich ganz offen an den Praktikanten rangeschmissen, aber er hat nur mit mir geredet.“ Annas Wangen glühten vor Begeisterung. „Er heißt Nouri Gransar und sein Vater kommt vom Kaspischen Meer. Seit einem Monat ist er in Koppelitz und bleibt noch bis Oktober. Er
Weitere Kostenlose Bücher